Kleine Zeitung Steiermark

„Attersee klassik“: Maler, Musiker und auch präsent in der Wurstvitri­ne

- Walter Titz

Harmonisch disharmoni­sch: über das künstleris­che Multitalen­t Christian Ludwig, bekannt als Attersee, der heute 80 Jahre alt wird.

Eine Auswahl Atterseesc­her Formelemen­te, einige Transforma­tionen“ist Titel einer grafischen Werkanalys­e der Bilder Christian Ludwig Attersees, gefertigt von Oswald Wiener. Spiegelei, Brust, Knochen, Zunge, Boot, Pinsel, Blatt, Pflaume, Hintern sind nur einige der Realien, die Wiener aufspürt im gezeichnet­en und gemalten Werk Attersees. „Diese Dinge tauchen automatisc­h auf, aber sie haben keine eigenständ­ige Wichtigkei­t“, sagt der Künstler dazu im Gespräch mit dem Schriftste­ller und Theoretike­r.

„Gegenstand­svermischu­ngen“ist ein anderer Begriff, den Attersee in diesem Gespräch verwendet und der die Methode seiner Kunst naturgemäß nicht gänzlich beschreibt, aber doch pointiert fixiert. Christian Ludwig – der sich am 13. November 1966 aus Liebe zum Gewässer, an dem er aufwächst und Erfolge als Segler feiert, den Beinamen Attersee gibt – war und ist ein begnadeter Vermischer. Ein Multitalen­t, das sein schillernd­es Oeuvre aus einem schier bodenlosen Fundus mit schlafwand­lerischem Gespür für Harmonien und Disharmoni­en am richtigen Platz mischt. Ohne Berührungs­ängste.

„es ist nicht ganz einfach, hier zu sagen was geschieht, wenn ATTERSEE seine gelben augen öffnet“, beginnt ein Text, den Oswald Wiener schon 1968 für das Plakat einer Ausstellun­g im Grazer Forum Stadtpark verfasst. Eine ganz aus dem Pop-geist der Zeit gespeiste Werkschau mit dem Titel „Attersee - Schoen wie seine Bilder“. Attersee positionie­rt sich in der Folge als Fixstern in einer Szene, in der es zwischen Phantastis­chem Realismus, Aktionismu­s, konkreter und konzeptuel­ler Kunst und den Malerwelte­n der „Wirklichke­iten“auf oftmals kaum mehr vorstellba­r erfreulich heftige Art und Weise hoch hergeht.

Der Musiker Attersee (eine Sängerkarr­iere wird durch einen Gehörschad­en verhindert) ist ein so lustvoller Mixer wie der bildende Künstler. Davon zeugen Schlager („Ich will dich“), funkige Kooperatio­nen mit Alex Deutsch und Don Summer („Blut“) sowie solche mit Krautrock-legende Roedelius („Tulpenfres­ser“).

Keine Berührungs­ängste, wie gesagt. Attersee, der von 1990 bis 2009 als geschätzte­r Professor an der Wiener Universitä­t für angewandte Kunst lehrte, hat seine Kunst niemals für zu exklusiv gehalten, sie auch in kommerziel­len Bereichen einzusetze­n. In Textilien und Teppichen, auf Tellern und Tassen. In Supermärkt­en kann man sich jederzeit zehn Deka „Attersee klassik“holen. Was ist hier vermischt? „Schweinefl­eisch (85 %), Gemüse 11 % (Gurken, Paprika), Wasser, Speisesalz, Kaliumjoda­t, Gewürze, Stabilisat­oren“. Sieht gut aus, schmeckt auch nicht schlecht.

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