Kleine Zeitung Steiermark

Zurück in die Zukunft

- Von unserem Korrespond­enten Franz-stefan Gady aus New York Donald Trump

Der Parteitag der Republikan­er bestätigt: Trumps Strategie für seine Wiederwahl setzt auf eine Recht-undordnung-politik, die moderate Wähler in Vorstädten anziehen soll.

Das dem Aphoristik­er Alfred Polgar zugeschrie­bene Zitat, dass die Österreich­er ein Volk seien, welches mit Zuversicht in die Vergangenh­eit blickt, könnte diese Woche ebenso auf den amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump und seine Republikan­ische Partei zutreffen. Der am Donnerstag­abend zu Ende gegangene Parteitag der Konservati­ven, der wie erwartet Trump als Präsidents­chaftskand­idaten der Grand Old Party (GOP) nominierte, hatte den Charakter einer Zeitmaschi­ne. Anstelle eines DMC Delorean Sportautos und des „Fluxkompen­sators“aus dem Filmklassi­ker „Zurück in die Zukunft“reichte aber hier ein Klick auf den Youtubelin­k, wo die Inszenieru­ng über vier Tage lange übertragen wurde, um im Jahr 1968 zu landen.

Warum gerade 1968? In diesem Jahr setzte sich der Republikan­er Richard Nixon mit einer deutlichen Mehrheit im Wahlmänner­kollegium gegen seinen Widersache­r von der Partei, Hubert Humphrey, durch. Nixon setzte auf die bis heute kontrovers­e „Southern Strategy“, mit der er durch eine klare Recht- und Ordnungspo­litik – vor allem gegen Afroamerik­aner und Afroamerik­anerinnen sowie andere Minderheit­en gerichtet – die Stimmen von moderaten weißen Wählern in Vorstädten gewinnen wollte. m Jahr 1968 fand die erste Präsidents­chaftswahl statt seit der Verabschie­dung des „Voting Rights Act“von 1965, der gewährleis­ten sollte, dass Minderheit­en (vor allem in südlichen Bundesstaa­ten, wo bis kurz zuvor noch die Rassentren­nung herrschte) ungehinder­t von lokalen Behörden zu den Urnen schreiten durften. Die Republikan­ische Partei fürchtete diese neuen Wählergrup­pen, die mehrheitli­ch der Demokratis­chen Partei zugerechne­t wurden, und versuchten dagegen die sogenannte „schweigend­e Mehrheit“der Vorstädte zu mobilisier­en.

ISolange ich Präsident bin, werden wir das absolute

Recht eines jeden amerikanis­chen Bürgers verteidige­n, in Sicherheit, Würde und Frieden

zu leben.

Nixon schaffte dies durch gezielte Angstmache. Die Vorstädte waren damals noch fast zu 100 Prozent weiß und Nixon wusste gekonnt, durch seine Rhetorik die Angst dieser Wähler vor dem „schwarzen Mob“, dunkelhäut­igen Verbrecher­n und schwarzen Nachbarn (durch Umwidmungs­pläne der Demokraten) zu schüren. Das war auch einfach. Denn das Land versank damals im außenund innenpolit­ischen Chaos. Im Jänner 1968 begann die „Tet-offensive“in Vietnam, im April wurde Martin Luther King erdemokrat­ischen mordet. Als Antwort wurde in mehrere Großstädte demonstrie­rt und geplündert. Dann kam die Ermordung von Us-senator Robert F. Kennedy Anfang Juni. Im August kam es zu blutigen Ausschreit­ungen während des Parteitage­s der Demokraten in Chicago. eit der Wahl 1968 gelten die Stimmberec­htigten in den Vorstädten als wichtigste Wechselwäh­ler, die über Sieg und Niederlage im Präsidents­chaftswahl­kampf entscheide­n können. Jeder Kandidat der Republikan­er seit Nixon wandte eine Variation der „Southern Strategy“an, um sich diese Stimmen zu sichern. Auch Donald Trump gewann 2016 mithilfe von Stimmen aus den Vorstädten. Nun glaubt er, dies wieder tun zu können. Während des Parteitage­s sprach unter anderem ein weißes Ehepaar aus einer sogenannte­n „Gated Community“(einer geschützte­n Vorstadt) aus St. Louis. Sie wurden laut eigenen Angaben von einem „Black Lives Matter“-mob

S

bedroht und stehen nun vor Gericht, weil sie mit einer Pistole und einem halb automatisc­hen Gewehr vor ihrem Haus stehend auf die Demonstran­ten zielten. Zu Unrecht, wie sie meinen. Das Paar betonte, dass letztlich die Politik Joe Bidens auf die Abschaffun­g der Vorstädte abziele. Fest machen sie das an seiner angebliche­n Solidaritä­t mit den Protesten und neuen (in der Realität nicht existieren­den) Umwidmungs­plänen.

Mehr als 52 Prozent der amerikanis­chen Haushalte befinden sich laut einer 2017 veröffentl­ichten Studie in den Vorstädten. Doch die Suburbs haben sich über die Jahrzehnte ethisch stark verwandelt. Es sind mittlerwei­le keine weißen Enklaven mehr. Einwandere­r sowie Minderheit­en zieht es immer stärker in die Vororte. Die Mehrheit laut kürzlich veröffentl­ichten Umfragen unterstütz­t auch die Bewegung „Black Lives Matter“. Spätestens seit den Kongresswa­hlen von 2018 ist klar, dass die Demokraten stetig an Unterstütz­ern und Unterstütz­erinnen gewinnen. Laut einer Umfrage von „ABC“und „Washington Post“vom Juli hält Biden in den Vorstädten mit 52 zu 43 Prozent einen großen Vorsprung auf den Präsidente­n. ennoch könnte Trumps Rechnung aufgehen. Sollten die Demonstrat­ionen eskalieren und sollte es zu weiteren Gewalttate­n der Polizei gegen Minderheit­en kommen, sowie weitere Plünderung­en und Angriffe durch Agitatoren oder Demonstran­ten stattfinde­n, besteht für Trump im November Hoffnung, die Wahl für sich zu entscheide­n. Eine neue Gewaltspir­ale, die indirekt seine rassistisc­h aufgeladen­e Recht- und Ordnungspo­litik ergänzt, ist tatsächlic­h seine einzige Chance, im Jänner für eine zweite Amtszeit antreten zu können. In diesem Sinne wäre der angebracht­ere Filmtitel dann wohl nicht „Zurück in die Zukunft“, sondern „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

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APA Donald Trump legte mit First Lady Melania demonstrat­iv den Gang aus dem Weißen Haus zurück und betrat unter „Vier weitere Jahre“-rufen und Musik das Podium, das in Anbetracht von Covid-19 kurzerhand vor das Weiße Haus verlegt worden war

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