Zurück in die Zukunft
Der Parteitag der Republikaner bestätigt: Trumps Strategie für seine Wiederwahl setzt auf eine Recht-undordnung-politik, die moderate Wähler in Vorstädten anziehen soll.
Das dem Aphoristiker Alfred Polgar zugeschriebene Zitat, dass die Österreicher ein Volk seien, welches mit Zuversicht in die Vergangenheit blickt, könnte diese Woche ebenso auf den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und seine Republikanische Partei zutreffen. Der am Donnerstagabend zu Ende gegangene Parteitag der Konservativen, der wie erwartet Trump als Präsidentschaftskandidaten der Grand Old Party (GOP) nominierte, hatte den Charakter einer Zeitmaschine. Anstelle eines DMC Delorean Sportautos und des „Fluxkompensators“aus dem Filmklassiker „Zurück in die Zukunft“reichte aber hier ein Klick auf den Youtubelink, wo die Inszenierung über vier Tage lange übertragen wurde, um im Jahr 1968 zu landen.
Warum gerade 1968? In diesem Jahr setzte sich der Republikaner Richard Nixon mit einer deutlichen Mehrheit im Wahlmännerkollegium gegen seinen Widersacher von der Partei, Hubert Humphrey, durch. Nixon setzte auf die bis heute kontroverse „Southern Strategy“, mit der er durch eine klare Recht- und Ordnungspolitik – vor allem gegen Afroamerikaner und Afroamerikanerinnen sowie andere Minderheiten gerichtet – die Stimmen von moderaten weißen Wählern in Vorstädten gewinnen wollte. m Jahr 1968 fand die erste Präsidentschaftswahl statt seit der Verabschiedung des „Voting Rights Act“von 1965, der gewährleisten sollte, dass Minderheiten (vor allem in südlichen Bundesstaaten, wo bis kurz zuvor noch die Rassentrennung herrschte) ungehindert von lokalen Behörden zu den Urnen schreiten durften. Die Republikanische Partei fürchtete diese neuen Wählergruppen, die mehrheitlich der Demokratischen Partei zugerechnet wurden, und versuchten dagegen die sogenannte „schweigende Mehrheit“der Vorstädte zu mobilisieren.
ISolange ich Präsident bin, werden wir das absolute
Recht eines jeden amerikanischen Bürgers verteidigen, in Sicherheit, Würde und Frieden
zu leben.
Nixon schaffte dies durch gezielte Angstmache. Die Vorstädte waren damals noch fast zu 100 Prozent weiß und Nixon wusste gekonnt, durch seine Rhetorik die Angst dieser Wähler vor dem „schwarzen Mob“, dunkelhäutigen Verbrechern und schwarzen Nachbarn (durch Umwidmungspläne der Demokraten) zu schüren. Das war auch einfach. Denn das Land versank damals im außenund innenpolitischen Chaos. Im Jänner 1968 begann die „Tet-offensive“in Vietnam, im April wurde Martin Luther King erdemokratischen mordet. Als Antwort wurde in mehrere Großstädte demonstriert und geplündert. Dann kam die Ermordung von Us-senator Robert F. Kennedy Anfang Juni. Im August kam es zu blutigen Ausschreitungen während des Parteitages der Demokraten in Chicago. eit der Wahl 1968 gelten die Stimmberechtigten in den Vorstädten als wichtigste Wechselwähler, die über Sieg und Niederlage im Präsidentschaftswahlkampf entscheiden können. Jeder Kandidat der Republikaner seit Nixon wandte eine Variation der „Southern Strategy“an, um sich diese Stimmen zu sichern. Auch Donald Trump gewann 2016 mithilfe von Stimmen aus den Vorstädten. Nun glaubt er, dies wieder tun zu können. Während des Parteitages sprach unter anderem ein weißes Ehepaar aus einer sogenannten „Gated Community“(einer geschützten Vorstadt) aus St. Louis. Sie wurden laut eigenen Angaben von einem „Black Lives Matter“-mob
S
bedroht und stehen nun vor Gericht, weil sie mit einer Pistole und einem halb automatischen Gewehr vor ihrem Haus stehend auf die Demonstranten zielten. Zu Unrecht, wie sie meinen. Das Paar betonte, dass letztlich die Politik Joe Bidens auf die Abschaffung der Vorstädte abziele. Fest machen sie das an seiner angeblichen Solidarität mit den Protesten und neuen (in der Realität nicht existierenden) Umwidmungsplänen.
Mehr als 52 Prozent der amerikanischen Haushalte befinden sich laut einer 2017 veröffentlichten Studie in den Vorstädten. Doch die Suburbs haben sich über die Jahrzehnte ethisch stark verwandelt. Es sind mittlerweile keine weißen Enklaven mehr. Einwanderer sowie Minderheiten zieht es immer stärker in die Vororte. Die Mehrheit laut kürzlich veröffentlichten Umfragen unterstützt auch die Bewegung „Black Lives Matter“. Spätestens seit den Kongresswahlen von 2018 ist klar, dass die Demokraten stetig an Unterstützern und Unterstützerinnen gewinnen. Laut einer Umfrage von „ABC“und „Washington Post“vom Juli hält Biden in den Vorstädten mit 52 zu 43 Prozent einen großen Vorsprung auf den Präsidenten. ennoch könnte Trumps Rechnung aufgehen. Sollten die Demonstrationen eskalieren und sollte es zu weiteren Gewalttaten der Polizei gegen Minderheiten kommen, sowie weitere Plünderungen und Angriffe durch Agitatoren oder Demonstranten stattfinden, besteht für Trump im November Hoffnung, die Wahl für sich zu entscheiden. Eine neue Gewaltspirale, die indirekt seine rassistisch aufgeladene Recht- und Ordnungspolitik ergänzt, ist tatsächlich seine einzige Chance, im Jänner für eine zweite Amtszeit antreten zu können. In diesem Sinne wäre der angebrachtere Filmtitel dann wohl nicht „Zurück in die Zukunft“, sondern „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
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