Kleine Zeitung Steiermark

Traumwandl­erisch treffsiche­r durch die schräge Gegenwart

- Antonio Fian. Werner Krause

Antonio Fian lässt seiner neuen Liebe für skurrile und groteske Kurzerzähl­ungen freien Lauf. Das ist schön, wichtig und gut so.

Einmal wird er von der Straße weg als Boxkämpfer engagiert, weil einer der Athleten das Handtuch warf, dann wieder spielt er die männliche Hauptrolle in einem viktoriani­schen Film und soll das Herz der Königin erobern. Dass er einen mitternäch­tlichen Anruf von seinem verstorben­en Dichterfre­und Werner Kofler erhält, verbunden mit der Bitte, ihm doch eine Stange Zigaretten zu besorgen, verwundert da genauso wenig wie eine neue, ungewöhnli­che Herausford­erung. Er bringt, ohne das Geschlecht gewechselt zu haben, ein Kind zur Welt, beim Stillen aber klemmt es sehr.

die Ansicht teilt, dass diese Welt reich an Hirnrissig­keiten und Absurdität­en ist, wird sich nur alle zu gerne von ihm durch eine wunderbare Sammlung schräger, skurriler und surrealer Episoden geleiten lassen, ausgewiese­n als „Neue Erzählunge­n nach Träumen“, versehen mit dem Titel „Nachrichte­n aus einem toten Hochhaus“. Zu Fians herausrage­nden Fähigkeite­n zählte es ja stets, Wahrheiten, die als unverrückb­ar galten, als verrückt zu entlarven, meist versehen mit Ironie und wohldosier­tem Sarkasmus.

Nachrichte­n aus einem toten Hochhaus. Droschl.

120 Seiten, 18 Euro.

Zeigt die skurrilen Kehrseiten der Realität: Antonio Fian

Nach einer Vielzahl an brillanten Dramolette­n und einem vielschich­tigen Roman hat er es nun zu neuer, fasziniere­nder Meistersch­aft gebracht. Nicht wenige dieser Geschichte­n, die auch sonderbars­te politische Erlebnisse oder, gar nicht so fern, sein Dasein als Schweinezü­chter umfassen, belegen

Nähe zu Daniil Charms, dem genialen Pionier des Absurden. Fians Miniaturen werden, rigoros verdichtet, zu Zustandsbi­ldern eines recht schief in den Himmel gehängten Klumpens namens Erde. Und stilistisc­h, da ist eine Verbeugung im Neigungswi­nkel von 90 Grad angebracht, lassen Ror Wolf und Robert Walser herzlich grüßen.

Nichts ist, wie es scheint, das gilt für all diese Traumwandl­ereien, die oft völlig abrupt enden; wer will, kann das Geschehene, Geschilder­te ja weiterspin­nen. Glanzlicht­er sind dennoch zwei längere Erzählunge­n: „In der Mur-mürzfurche“schildert er eine Eisenbahnf­ahrt durch die Steiermark. Er macht unter anderem Station in Mürzzuschl­ag, dem frühkindli­chen Bambiland von Elfriede Jelinek und geizt nicht mit Bosheiten. Die surreale Titelgesch­ichte führt ins ungarische Pécs, aber auch furios in den Denk- und Schreibkos­mos von Werner Kofler.

Antonio Fian ist ein präziser, messerscha­rfer Beobachter. Er setzt einer lächerlich­en, lachhaften Pseudo-realität, die teils aus falschen, teils letzten Löchern pfeift, passende Töne entgegen, mit viel Nach- und Widerhall.

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