Kleine Zeitung Steiermark

„Mich wundert die Anti-wien-stimmung“

- Von Veronika Dolna

Michael Ludwig ist Wiener Bürgermeis­ter und wird es auch nach der Wahl noch sein. Über das Hickhack mit der Bundesregi­erung spricht er gerne, über Integratio­n hingegen nicht.

Auf engstem Raum sehen wir hier die Entwicklun­g der Stadt von der Monarchie über die Republik über den Faschismus bis hin zu einer demokratis­chen Gesellscha­ft“, sagt Michael Ludwig und deutet von der Hofburg zum Ballhauspl­atz zum Parlament. Wir sitzen im Volksgarte­n, dem ersten Park, der in Wien für die Bevölkerun­g geöffnet wurde. Dass der promoviert­e Historiker und Politologe auch Politiker im Wahlkampf ist, kommt zeitverzög­ert durch: „Es war eine erschrecke­nde, völlig unverständ­liche Interventi­on der Bundesregi­erung, die Bundesgärt­en in der Coronakris­e zu schließen“, sagt er.

Den Volksgarte­n hat er als Gesprächso­rt ausgesucht, weil er viel über Wien erzählt – und über das Verhältnis zwischen der Stadt und dem Bund. „Ich wundere mich über die Antiwien-stimmung, die von manchen Teilen der Bundesregi­erung gefördert wird“, sagt er, „denn offensicht­lich fühlen sich viele Menschen aus den Bundesländ­ern sehr wohl hier,

sonst würden nicht so viele zum Studieren und Arbeiten nach Wien kommen.“

Ludwig selbst hat – anders als die meisten Wiener – in seiner jüngeren Familienge­schichte keinen Migrations­hintergrun­d aus dem Ausland oder einem anderen Bundesland. Er wuchs als Sohn einer Hilfsarbei­terin auf und legte einen sozialen Aufstieg nach dem Drehbuch der Sozialdemo­kratie hin: vom Arbeiterki­nd zum Dr. phil. Vom Parteiarbe­iter zum Bürgermeis­ter. Das Universum der Wiener SPÖ verließ er nie. 2007 folgte er Werner Faymann als Wohnbausta­dtrat. 2018 gewann er in einer Kampfabsti­mmung gegen

wie sie die SPÖ im Bund und die Grünen in Wien fordern, sagt er nur: „Generell ein wichtiges Thema, aber in der Form eher ein Wahlkampfg­ag.“Die Pläne zur autofreien Innenstadt von Vizebürger­meisterin Birgit Hebein machte er mit einem

Leopold Gratz

Rechtsguta­chten wenige Tage vor der Wahl zunichte. „Ich bin auch für Verkehrsbe­ruhigung, aber mit einer umsetzbare­n Lösung.“Und das Reizthema Integratio­n spart er am liebsten aus. In seiner 70-minütigen Rede zum Wahlkampfa­uftakt erwähnte er Integratio­n kein einziges Mal. „Weil es eine Durchschni­ttsmaterie aus allen Ressorts ist“, sagt er. „Wir behanspö. deln Menschen aus anderen Ländern nicht anders.“Der ÖVP gehe es „darum, Migration negativ zu deuten und auf Probleme aufmerksam zu machen. Das ist maximal eine Analyse.“

Auch Ludwig ist ein guter Analytiker. Eine sozialdemo­kratische Vision der Zukunft zeichnet er nicht. Aber zumindest bei dieser Wahl dürfte es für ihn nicht nötig sein.

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