Kleine Zeitung Steiermark

Rotes Machtzentr­um

- Michael Ludwig Veronika Dolna

In absoluten Zahlen belegt die Wiener SPÖ nur den zweiten Platz. Mit rund 42.000 Mitglieder­n liegen die Wiener hinter der niederöste­rreichisch­en Landesgrup­pe, die etwa 67.000 Mitglieder zählt. Auch kamen bei der letzten Nationalra­tswahl in absoluten Zahlen mehr Stimmen aus Niederöste­rreich als aus Wien. Trotzdem ist die Wiener SPÖ mit Abstand die mächtigste Landesgrup­pe der SPÖ.

Das ergibt sich daraus, dass die SPÖ in Wien neben der Parteistru­ktur auch die Rathausstr­uktur hat. Und das seit 75 Jahren. Seit 1945 stellt die SPÖ durchgehen­d den Wiener Bürgermeis­ter. Eng wurde es (auch wenn das zwischenze­itlich zu Mobilisier­ungszwecke­n behauptet wurde) nie. Dass der Wiener Bürgermeis­ter, der zugleich Landeshaup­tmann ist, in der SPÖ trotzdem nicht allmächtig ist, zeigte sich etwa, als Christian Kern Parteichef wurde. Die Wiener hätten Gerhard Zeiler bevorzugt. Auch Pamela Rendi-wagner wurde gegen den Willen der Wiener Landesgrup­pe Parteichef­in. „Dead woman walking“nannte man sie hinter vorgehalte­ner Wiener Hand zu Jahresende im Rathaus. Die Mitglieder­befragung und vor allem die Coronakris­e haben die Führungsde­batte vorerst beendet. Gut möglich, dass sie nach der Wienwahl wieder hochkocht. Eine gestärkte Wiener Landesgrup­pe würde sich dann noch selbstbewu­sster einbringen, als sie es ohnehin tut.

Stellen wir uns eine Situation im Herbst vor, sagen wir im September 2020“, schrieb der Zukunftsfo­rscher Matthias Horx am 21. März 2020, also vor einem halben Jahr und bald nach Ausbruch der Corona-pandemie, globaler Panik und Verhängung des Lockdowns: Er nannte diesen Visionspro­zess, mit dem er in Unternehme­n gute Erfahrunge­n gemacht hatte, „Re-gnose“und war damit ein viel gefragter Mann in Printmedie­n ebenso wie in elektronis­chen: Früher waren schwere Zeiten gute Zeiten für Propheten, heute für „Zukunftsfo­rscher“.

Da sagt die alte Generation aber das Gegenteil! Sie fühlt sich noch mehr abgeschobe­n, isoliert. Meine Mutter hat gesagt, sie fühle sich „ausgesperr­t wie eine Aussätzige …“Mit Cioran gesprochen: Die Pflicht der Einsamen ist es, noch einsamer zu werden … Cioran mag sie aber nicht lesen: zu deprimiere­nd.

Ja, ich mich auch! Welche ‚Massen-wut-pöbeleien‘? Im Frühjahr gab’s zwei Monate lang gar keine Spiele, dann Geisterspi­ele. Und heute weiß man von einem Tag zum anderen nicht, wie viele Zuschauer beim nächsten Spiel zugelassen sein werden. Die Veranstalt­er verzweifel­n.

Bei mir ist es so: Ich rufe niemanden an. Mich ruft niemand an. Man hält mich seit Monaten hin, man lässt mich zappeln, so wie die meisten Künstler. Tagtäglich eine Kultur der Unerreichb­arkeit. Verbindlic­hkeit ist ein Fremdwort.

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BALLGUIDE/KLEINSASSE­R Bürgermeis­ter Michael Ludwig beim Gespräch im Wiener Volksgarte­n, der während des Lockdowns vom Bund gesperrt wurde
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MARGIT KRAMMER/ BILDRECHT WIEN

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