Rotes Machtzentrum
In absoluten Zahlen belegt die Wiener SPÖ nur den zweiten Platz. Mit rund 42.000 Mitgliedern liegen die Wiener hinter der niederösterreichischen Landesgruppe, die etwa 67.000 Mitglieder zählt. Auch kamen bei der letzten Nationalratswahl in absoluten Zahlen mehr Stimmen aus Niederösterreich als aus Wien. Trotzdem ist die Wiener SPÖ mit Abstand die mächtigste Landesgruppe der SPÖ.
Das ergibt sich daraus, dass die SPÖ in Wien neben der Parteistruktur auch die Rathausstruktur hat. Und das seit 75 Jahren. Seit 1945 stellt die SPÖ durchgehend den Wiener Bürgermeister. Eng wurde es (auch wenn das zwischenzeitlich zu Mobilisierungszwecken behauptet wurde) nie. Dass der Wiener Bürgermeister, der zugleich Landeshauptmann ist, in der SPÖ trotzdem nicht allmächtig ist, zeigte sich etwa, als Christian Kern Parteichef wurde. Die Wiener hätten Gerhard Zeiler bevorzugt. Auch Pamela Rendi-wagner wurde gegen den Willen der Wiener Landesgruppe Parteichefin. „Dead woman walking“nannte man sie hinter vorgehaltener Wiener Hand zu Jahresende im Rathaus. Die Mitgliederbefragung und vor allem die Coronakrise haben die Führungsdebatte vorerst beendet. Gut möglich, dass sie nach der Wienwahl wieder hochkocht. Eine gestärkte Wiener Landesgruppe würde sich dann noch selbstbewusster einbringen, als sie es ohnehin tut.
Stellen wir uns eine Situation im Herbst vor, sagen wir im September 2020“, schrieb der Zukunftsforscher Matthias Horx am 21. März 2020, also vor einem halben Jahr und bald nach Ausbruch der Corona-pandemie, globaler Panik und Verhängung des Lockdowns: Er nannte diesen Visionsprozess, mit dem er in Unternehmen gute Erfahrungen gemacht hatte, „Re-gnose“und war damit ein viel gefragter Mann in Printmedien ebenso wie in elektronischen: Früher waren schwere Zeiten gute Zeiten für Propheten, heute für „Zukunftsforscher“.
Da sagt die alte Generation aber das Gegenteil! Sie fühlt sich noch mehr abgeschoben, isoliert. Meine Mutter hat gesagt, sie fühle sich „ausgesperrt wie eine Aussätzige …“Mit Cioran gesprochen: Die Pflicht der Einsamen ist es, noch einsamer zu werden … Cioran mag sie aber nicht lesen: zu deprimierend.
Ja, ich mich auch! Welche ‚Massen-wut-pöbeleien‘? Im Frühjahr gab’s zwei Monate lang gar keine Spiele, dann Geisterspiele. Und heute weiß man von einem Tag zum anderen nicht, wie viele Zuschauer beim nächsten Spiel zugelassen sein werden. Die Veranstalter verzweifeln.
Bei mir ist es so: Ich rufe niemanden an. Mich ruft niemand an. Man hält mich seit Monaten hin, man lässt mich zappeln, so wie die meisten Künstler. Tagtäglich eine Kultur der Unerreichbarkeit. Verbindlichkeit ist ein Fremdwort.