Kleine Zeitung Steiermark

War Jesus ein Gesinnungs­ethiker?

- Hans Winkler

Um zu wissen, was man mit den Migranten in Moria, die sich jetzt in einem Zeltlager in der Nähe aufhalten, tun solle, müsse man einfach fragen: „was würde Jesus an meiner Stelle tun?“, sagte der Bischof von Feldkirch, Benno Elbs.

So zu fragen und dabei Jesus für seine eigenen Vorlieben oder einem persönlich besonders wichtig erscheinen­de Ziele in Anspruch zu nehmen, ist eine verbreitet­e Denkweise. Jesus war dann der erste Globalisie­rungsgegne­r, er wäre heute natürlich gegen den „menschenve­rachtenden neoliberal­en Kapitalism­us“, anstatt gegen die Pharisäer würde er gegen die sogenannte­n Klimaleugn­er zu Felde ziehen.

Ein Theologe ist zur tiefen Erkenntnis gekommen, dass Jesus heute ein Smartphone besitzen und Selfies verschicke­n würde.

Aber zurück von diesen Torheiten zur Frage des Bischofs: Hätte Jesus auch Kinder aus Moria nach Österreich geholt? Elbs insinuiert es, gibt aber keine eindeutige Antwort. Er wünscht sich zwar, dass Menschen in akuter Not „strukturel­l und langfristi­g geholfen wird“, begnügt sich dann aber mit einer „Symbolpoli­tik der Menschlich­keit“. Die Katholisch­e Aktion sagt gleich ganz offen, es gehe ohnehin nur um eine „humanitäre Geste“. Das Schicksal der Menschen in den Lagern solle „zumindest für einen Augenblick“mehr zählen als politische­s Kalkül.

Eine solche Art von Gesinnungs­ethik, die mit Gesten und Symbolen auskommt und die komplizier­ten Umstände und langfristi­gen Folgen von Entscheidu­ngen souverän außer Acht lässt, kann sich eine verantwort­ungsvolle Regierung nicht leisten. Sie darf und muss zum Beispiel fragen, ob es sich bei den Kindern, die man holen soll, nicht um Jugendlich­e handelt. In einem Fall müsste man die Familien auch nehmen, im anderen würde man ein Geschäftsm­odell von Eltern und Schleppern fördern. nd sie darf auch fragen, ob sich „die Lager nicht wieder bald füllen“würden, wie Bischof Elbs sagt. Soll er sich für diesen Pragmatism­us nicht auf Jesus berufen dürfen?

„Eine Politik, die sich auf Gesten und Symbolik beschränkt, kann sich eine verantwort­ungsvolle Regierung nicht leisten.“

Ulebt als Journalist in Wien

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