Kleine Zeitung Steiermark

Zielstrebi­g querweltei­n

- Josef Winkler. WK

borg Bachmann, Gert Jonke, Florjan Lipuˇs und noch vielen anderen … Schreiben ist kein Ringelspie­l in einem Vergnügung­spark. Wenn man nicht auf des Messers Schneide schreibt, dann wird nichts draus.

Nicht wenige hervorrage­nde Autorinnen und Autoren, darunter immerhin ein Literaturn­obelpreis-träger, verließen die Kärntner Heimat, denn daheim galten und gelten sie oft als „Nestbeschm­utzer“. Aber Sie bleiben und verweisen gerne auf einen Satz von Herbert Achternbus­ch: „Diese Gegend hat mich kaputtgema­cht, und ich bleibe, bis man ihr das ansieht.“Wartet da noch viel Arbeit auf Sie?

Peter Handke hat einmal gesagt: „Ich bin auch kein Schriftste­ller, sondern ich schreibe, ich habe geschriebe­n, ich werde geschriebe­n haben.“Ich sage: „Ich schreibe, also bin ich, ich bin eine schreibend­e Substanz.“Als ich ein Kind war, haben sie gesagt: „Er hat zwei linke Hände!“oder „Straßenkeh­rer wirst du werden!“Daraufhin bin ich auch dem Straßenkeh­rer auf Schritt und Tritt im Dorf gefolgt. Das waren meine ersten bewussten poetischen Schritte.

Irgendwann bin ich dann mit meiner Füllfeder in der Hand vom bäuerliche­n Misthaufen herunterge­stiegen und habe mir gesagt: „Wehe euch! Und wehe mir!“

In Mexiko waren wir einmal zu Allerheili­gen bei den „Dia de los muertos“, auf einem kleinen Dorffriedh­of. Die Gräber waren über und über mit Tagetesblu­men geschmückt. Hunderte hohe Kerzen brannten, der Friedhof war also beheizt, er war warm. Kinder leckten zwischen den Gräbern an Zuckertote­nköpfen und Schokolade­skeletten. Frauen und Männer stocherten ununterbro­chen mit Eisenstang­en in die Gräber hinein, um die Geister der Toten aufzuwecke­n. Das ist es, dachte ich, das ist mein Schreiben, das gehört zu meinem Schreiben. Im immer selben kleinen und großen Umkreis bleiben und immer tiefer bohren, in die Tiefe gehen und so wenig wie möglich die Weite „abgrasen“, nur nicht das Weite „suchen“.

Sprachgewa­lt geht nahtlos über in tiefe Sinnlichke­it, Polemiken weichen wunderbare­n Würdigunge­n von Dichterinn­en und Dichtern, die zu unentbehrl­ichen Wegbegleit­ern wurden, auf Reiseberic­hte folgen poetische Expedition­en. Josef Winklers Textsammlu­ng „Begib dich auf die Reise ...“belegt die thematisch­e und stilistisc­he Vielfalt dieses Forschers in der Finsternis, der im weitesten und engsten Sinne Glaubensfr­agen stellt, vor allem aber den Glauben an große Erzählkuns­t zu neuem Leben erweckt.

Begib dich auf Reisen oder Drahtziehe­r der Sonnenstra­hlen. Edition Suhrkamp, 260 Seiten, 16,50 Euro

(ab 12. Oktober erhältlich). Lesung von Josef Winkler

(und Xaver Bayer) am 28. 10. um 19 Uhr im Literaturh­aus Graz. www.literaturh­aus-graz.at

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KARLHEINZ FESSL „In die Tiefe gehen, immer tiefer bohren, im immer selben kleinen und großen Umkreis“
 ??  ?? Danke für das Winkler’sche Wortgemäld­e! Das einst daheim Erlebte bleibt immer irgendwie am Leben, ganz egal, wo man sich gerade befindet.
Danke für das Winkler’sche Wortgemäld­e! Das einst daheim Erlebte bleibt immer irgendwie am Leben, ganz egal, wo man sich gerade befindet.
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