„Es gibt keine Grautöne mehr“
Ferdinand Wegscheider wurde mit seinen Formaten auf dem Mateschitz-sender Servus TV zu einer
Reizfigur. Ein Gespräch mit dem Intendanten über Corona und Medien.
Was war die Grundidee hinter dem unmoderierten „Corona-quartett“?
FERDINAND WEGSCHEIDER: Der „Talk Spezial“, den ich Ende April mit dem Professor Bhakdi machte, rief enorm hohe Seherzahlen und unglaubliche Reaktionen hervor, von beiden Gruppen. Das Interessante ist ja, dass es derzeit offenbar keine Grautöne mehr gibt: Es gibt die Pro-gruppe, die sagt, alles was die Regierung und die WHO machen, ist super. Und es gibt die Kontra-gruppe, die sagt, es ist alles schlecht. Es ist nie gut, wenn man nicht mehr miteinander redet. Das war der Anlass, dass wir gesagt haben, wir wollen ein Format schaffen, wo wir beide Gruppen miteinander diskutieren lassen.
Zwei Ausgaben der Reihe gingen bislang on air. Sehen Sie Verbesserungsbedarf?
Die Idee war, das in Anlehnung an das „Literarische Quartett“zu machen: Wenn da nur Experten diskutieren, kann man auf einen Moderator verzichten. Ich fand die Idee zunächst charmant, wir haben aber selbstkritisch bemerkt, dass es in dieser Form nicht so funktioniert hat. Meine Hauptvermutung ist, dass es ein Unterschied ist, ob ich in einer Literatursendung über ein Buch diskutiere oder über ein so kontroversielles
Thema wie die Coronakrise. Da funktioniert es ohne Moderator oder besser gesagt, ohne Schiedsrichter, nicht.
Wird es künftig einen Moderator geben?
Ja, ab Sonntag wird Michael Fleischhacker moderieren.
Das glaube ich nicht und das ist jedenfalls nicht intendiert. Es geht nicht darum zu sagen: „Dieses Thema polarisiert, lass uns daraus Quote schlagen!“Ganz im Gegenteil. Unser Ansatz ist immer ein qualitätsbasierter und werteorientierter. Was mir in der allgemeinen Corona-diskussion seit Monaten abgeht, ist eben ein guter, sachlicher Austausch – nur das bringt uns aus der Krise heraus.
Sie sprechen abschätzig von „Mainstream-medien“. Der Begriff ist der kleine Bruder belasteter Wortrelikte. Was heißt „MainstreamMedien“?
Eines vorweg: Was ich immer wieder bemerke, ist, dass die Trennung zwischen Berichterstattung und Kommentar in Österreich minder ausgeprägt ist, und ich das immer wieder erklären muss. Ich erlebe auch immer wieder, dass Zuseher sagen: „Diesmal waren Sie aber nicht objektiv.“Und ich versuche ihnen dann mit der Dudendefinition zu erklären, was ein Kommentar ist: die subjektive Meinung seines Verfassers und sonst nichts.
Was noch nicht die angestrebte Positionierung außerhalb des Medienapparats erklärt.
Was mich in den vergangenen Monaten extrem verwundert hat, ist die Position und die Berichterstattung des überwiegenden Teils der österreichischen Medien. Ich habe das in meiner journalistischen Laufbahn in der Form noch nie erlebt, dass eine Mehrheit an Medien derart unkritisch weitergibt, was eine Regierung verlautbart. In meiner Studentenzeit hieß es, die Universitäten wären die Elfenbeintürme, die nicht mitkriegen, was draußen im Land passiert. Nun habe ich den Eindruck, das gilt jetzt viel mehr noch für den Großteil der Medien. Darum verwende ich in meinen Kommentaren den Ausdruck „Mainstream-medien“. Bei den Servus-nachrichten werden Sie den Begriff nicht hören.
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