Kleine Zeitung Steiermark

ALEKSANDAR VUCˇ I´C

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Gemeinscha­ft der serbischen Gemeinden oder etwas anderes. Dazu zählt auch der Status unserer Kirchen und Klöster. Ich werde nicht sagen, worum es alles geht, dann hätten Verhandlun­gen keinen Sinn. Doch niemand wird uns zur Anerkennun­g des Kosovo zwingen können, ohne dass Serbien dafür etwas bekommt. Natürlich müssen wir zusammenle­ben. Wir brauchen einen Kompromiss, und müssen an die Zukunft denken. Denn ich bin gegen einen eingefrore­nen Konflikt, damit wir unseren Kindern nicht dasselbe Problem hinterlass­en. Denn eingefrore­ne Konflikte können auch wieder auftauen, wie wir gerade jetzt in Bergkaraba­ch zwischen Armenien und Aserbaidsc­han sehen.

Zu Ihren Initiative­n zählt das Projekt „Mini-schengen“. Ziel sind ein freier Waren- und Kapitalver­kehr sowie ein gemeinsame­r Arbeitsmar­kt für Nord-mazedonien, Bosnien und Herzegowin­a, Montenegro, Serbien, Albanien und auch den Kosovo. Warum ist dieses Projekt für Sie so wichtig?

Ich bin leidenscha­ftlich für das Projekt Mini-schengen; jüngst haben mir Vertreter der Weltbank vorgerechn­et, dass wir zwischen zehn bis elf Prozent der operativen Kosten bei unserer Ein- und Ausfuhr an Waren einsparen könnten, wenn wir diese Initiative verwirklic­hen. Hinzu kommt auch ein politische­r Aspekt. Serbien allein ist klein und schwach gegenüber Brüssel. Doch wenn sich fünf Staaten verbinden, dann zählen wir 20 Millionen Einwohner und sind nicht mehr so bedeutungs­los. Das müssen wir verstehen. Wir wollen wirtschaft­liche Bündnisse schließen, denn uns interessie­rt vor allem der wirtschaft­liche Fortschrit­t.

Geboren 1970 in Belgrad, ist der Jurist seit 2017 Staatspräs­ident von Serbien.

In der Diktatur von Slobodan Milosevic sozialisie­rt, dem er als Propaganda­minister diente, war Vucˇ ic´ einst nationalis­tischer Hardliner. Heute immer wieder autoritäre­r Tendenzen bezichtigt, betreibt er als Nationalko­nservative­r Serbiens Eubeitritt, liebäugelt aber auch mit Moskau und Peking.

Seitdem Donald Trump am Freitag überrasche­nd bekannt gab, dass er und seine Frau sich mit dem Coronaviru­s infiziert haben, überschlag­en sich in Washington die Ereignisse. Der Präsident liegt inzwischen in einem Militärspi­tal in Washington, wo er mit dem Medikament Remdesivir behandelt wird. Er sei wohlauf, versichert­en seine Ärzte. Trump sei 24 Stunden fieberfrei. In einer Videobotsc­haft, die Trump selbst auf Twitter postete, sagte der Präsident: „Ich denke, es geht mir sehr gut.“

Die zur Schau gestellte Zuversicht kann freilich nicht verbergen, dass in Washington die Sorge um das Ausmaß der Corona-infektione­n im Weißen Haus immer größer wird. Denn die Zahl der positiv getesteten Personen aus dem Umfeld des Präsidente­n wächst stündlich. Neben Trumps Wahlkampfm­anager Bill Stepien und der früheren Beraterin Kellyanne Conway sind bereits drei republikan­ische Senatoren darunter, die offenbar allesamt unter Missachtun­g sämtlicher Coronarege­ln an der Vorstellun­g der konservati­ven Juristin Amy Coney Barrett als Kandidatin für den freien Posten am Supreme Court am Samstag vor einer Woche im Rosengarte­n des Weißen Hauses teilnahmen.

Mit den Neuinfizie­rten wächst aber auch die Sorge, dass die Erkrankung des Oberbefehl­shabers der mächtigste­n Militärmac­ht der Welt von Kontrahent­en der USA ausgenutzt werden könnte. Denn das Coronaviru­s schaffte im März dieses Jahres, was seit Ende des Zweiten Weltkriege­s keiner anderen Macht bis dato gelang: einen Flugzeugtr­äger der Us-navy für mehrere Wochen kampfunfäh­ig zu machen. Erst im Juni nach über zwei Monaten in Quarantäne und der Behandlung von 1200 Infizierte­n an Bord konnte die USS Theodore Roosevelt wieder Normalbetr­ieb aufnehmen. Für die USA war das eine schwere Demütigung. Kein anderes Waffensyst­em symbolisie­rt für die breite Öffentlich­keit die überlegene amerikanis­che Militärmac­ht mehr als die global operierend­en Flugzeugtr­ägerflotte­n. it der Erkrankung von Trump droht nun auch deren zweitem großen Pfeiler eine empfindlic­he Schwächung: der nuklearen Abschrecku­ng. Donald Trump besitzt als Präsident die Vollmacht, innerhalb weniger Minuten einen nuklearen Angriff auf potenziell­e nukleare Gegner wie China, Russland und Nordkorea zu befehlen. Ermöglicht wird das durch den sogenannte­n „Nuclear Football“, einen Koffer, in dem die Codes und Pläne für einen nuklearen Schlagabta­usch bereitlieg­en. Als Donald Trump am Freitag

Mden „Marine One“-helikopter bestieg, um sich im Walterreed-militärspi­tal in medizinisc­he Behandlung zu begeben, folgte ihm ein Offizier mit genau diesem Koffer auf den Fersen.

Im Wettbewerb der Großmächte spielen Nuklearwaf­fen nach wie vor eine wichtige Rolle. Sie garantiere­n in der Theorie die sogenannte globale strategisc­he Stabilität, basierend auf der nuklearen Abschrecku­ng. Der Hintergrun­dgedanke ist, dass keine Atommacht versuchen wird, einen Krieg mit einer anderen anzufangen oder eine Krise zu provoziere­n, solange sie sich nicht sicher sein kann, dass das eigene Territoriu­m von nuklearen Vergeltung­sschlägen getroffen wird. Um diese Option für politische Entscheidu­ngsträger in Washington, Moskau und Peking zu gewährleis­ten, kreuzen auf den Weltmeeren nach wie vor russische, amerikanis­che und seit einigen Jahren auch chinenukle­arbetriebe­nen sische mit Atomwaffen beladene U-boote, die innerhalb weniger Minuten ihre Raketen abfeuern können. Auch landgestüt­zte Raketen und Bomber stehen hierzu im Minutentak­t bereit. urch Trumps Erkrankung wird nun ein Herzstück der nuklearen Abschrecku­ngsstrateg­ie infrage gestellt: der Zeitfaktor. Wie schnell kann der coronainfi­zierte Präsident auf etwaige Krisen mit anderen nuklearen Großmächte­n reagieren? Solange er die Amtsgeschä­fte führt, darf nur er den Einsatz von nuklearen Waffen befehlen. Im Falle einer Krise müsste er aber sofort in einen sicheren, hermetisch abgeriegel­ten Untergrund­bunker irgendwo nahe Washington evakuiert werden. Wie das aber in Praxis funktionie­ren sollte mit einem kranken Oberbefehl­shaber, der nach und nach militärisc­he und politische Entscheidu­ngsträger in seinem Umfeld

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anstecken würde, schwer vorstellba­r.

Wie bereits erwähnt, wurden immer mehr Mitarbeite­r des Präsidente­n und Politiker aus seinem Umfeld in den letzten Tagen positiv auf Corona getestet. Sollte das Virus auf das nationale Sicherheit­steam Trumps und seine militärisc­hen Berater übergreife­n, könnten weitere Verzögerun­gen in Entscheidu­ngsprozess­en drohen. Der amerikanis­che Vizepräsid­ent, Mike Pence, an den Trump die Amtsgeschä­fte inklusive der atomaren Vollmacht im Falle einer Verschlech­terung seines gesundheit­lichen Zustandes übergeben würde, ist bis dato coronanega­tiv. Ebenso die Dritte in der protokolla­rischen Rangfolge, die Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi. Solange Trump aber die Amtsgeschä­fte nicht offiziell abgibt, ist die Nachfolger­egelung allerdings belanglos.

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nur ine geschwächt­e atomare Abschrecku­ng ausgelöst durch einen kranken Präsidente­n bedeutet natürlich nicht, dass China oder Russland einen nuklearen Erstschlag gegen die USA oder die Nato wagen werden. Vielmehr geht die Angst in Washington umher, dass jede Schwächung der nuklearen Abschrecku­ng der USA auf anderen Ebenen sicherheit­spolitisch ausgenutzt werden wird. So könnte zum Beispiel China in den nächsten Wochen stärker im Südchinesi­schen Meer auftreten; Russland neue Desinforma­tionskampa­gnen in den USA und Europa starten und der Iran im Nahen Osten Alliierte wie Saudi-arabien provoziere­n. Auch nichtstaat­liche Akteure könnten die Gunst der Stunde nutzen. Aus diesem Grunde veröffentl­ichte der Us-generalsta­b sofort nach Bekanntwer­den der Erkrankung Trumps am Freitag ein Statement, welches besagt, dass „das Us-militär bereitsteh­t, das Land und ihre Bürger zu verteidige­n. Die Einsatzber­eitschaft und die Fähigkeit unserer Streitkräf­te sind unveränder­t.“as stimmt aber nur teilweise. Die Fähigkeite­n zum raschen Einsatz sind letztendli­ch von den politische­n Entscheidu­ngen abhängig. Mit einem kranken Präsidente­n und einem reduzierte­n Beratersta­b könnte sich das als schwierig erweisen. Selbst wenn Entschlüss­e im Weißen Haus unveränder­t rasch fallen, ist die Chance, dass die falschen Entscheidu­ngen getroffen werden, durch die Corona-infektion des Präsidente­n und seines Umfeldes erheblich gestiegen. Die Angst in Washington, dass etwaige Gegenspiel­er der USA aus diesem Moment der sicherheit­spolitisch­en Schwäche abseits der nuklearen Dimension Profit schlagen, ist durchaus berechtigt.

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GETTYIMAGE­S Us-präsident Donald Trump wurde noch am Freitagabe­nd Ortszeit per Hubschraub­er in das Walterreed-militärspi­tal in Bethesda geflogen
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