Im Sperrfeuer der Zweifler
Der Graben, der die Gesellschaft im Coronastreit durchzieht, setzt auch die Medien unter Druck. Sie müssen sich dem Misstrauen selbstkritisch stellen.
Es drohen härtere Tage. Es ist nicht das Virus, es ist der Ton, der von draußen kommt. Er ist von gnadenloser Schärfe. Er ist nicht auf Verständigung aus. Wie in Stammeskriegen geht es nur noch um Zugehörigkeit. Diese Entzweiung prägte schon die Migrationskrise, in der Pandemie bricht sie von Neuem auf. Das spüren auch die Medien. Ihnen schlägt Misstrauen entgegen, nicht unähnlich den Anfeindungen im Zuwanderungsstreit, wo sich Journalismus als Pädagogik missverstand, anstatt das Unbehagen zu ergründen. Abermals stehen die Medien im Verdacht der Komplizenschaft.
Euch die Verdammung, Euch der Tod, schrieb ein Leser, der nicht mehr klarkommt mit sich, mit Corona, dem Wirrwarr der Maßnahmen und Sprachbilder, dem Licht und dem Tunnel und der Rolle der Medien. Die Zeitungen als Teil eines Schweigekartells zwischen Politik und Medien, in Versuchung geführt durch Regierungsinserate: Ein verächtlicheres Bild lässt sich kaum zeichnen. So erleben wir uns nicht, wiewohl uns bewusst ist, dass das Hereinbrechen der Pandemie auch für die Medien eine Zumutung war. Als die Bedrohung das Land erreichte, rückte das Selbstverständliche, Skepsis und Widerspruch, in den Hintergrund, weil die Maßstäbe für die Einordnung fehlten. Selbst das Expertentum stand auf brüchigem Boden.
Als sich die Frage alternativer Strategien stellte, öffnete sich auch die Zeitung und bot ein Spektrum an Meinungen. In den Lockdown der Vielstimmigkeit möchte niemand zurück. Auch nicht in das Monothematische. Die Dominanz nährte das Gefühl einer Dauerbedrohung. So manche Liveübertragung rechtfertigte weder ein Live noch die Übertragung. Die Medien tun gut daran, sich besser zu erklären und von sich aus eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Rolle der Medien in der Krise anzustoßen. Es würde das Vertrauen stärken.
Die anfängliche Entschlossenheit der Regierung trug die Zeitung mit – nicht aus Unterwürfigkeit, sondern weil wir das rigorose Handeln für geboten hielten und das Befolgen für einen solidarischen Akt, nicht der Macht gegenüber, sondern den Mitbürgern. Als sich Unzulänglichkeiten einschlichen, legistischer Schlendrian, Eifersüchteleien, Wahltaktik und autoritäre Gesten, übten wir offen Kritik. Regierungshörig? Die Werte in den Umfragen sind weit besser als die Bewertung durch die Medien. Dass die Koalition sinnvolle Instrumente wie App und Ampel durch Uneinigkeit selbst diskreditierte, trug ihr zu Recht Spott ein. Wenn sie Geschlossenheit einmahnt, muss sie auch Geschlossenheit vorleben. ine Epidemie lässt sich nur kollektivistisch bewältigen, durch eine hinreichend große Zahl an Vernunftbereiten. Es liegt an den Bürgern, die Verbreitungswege des Virus zu sabotieren. Um die Frage, was vernünftig ist, soll pluralistisch gerungen werden, auch hier. Die Grenze ziehen wir dort, wo die Kritik zum Leugnen wird, die Regierung zur „Diktatur“, das Tragen des Mundschutzes zum „Anschlag“und die Pandemie zur „sogenannten Pandemie“. Wo Torheit gefährlich wird, schließen wir die Tür.
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