Heiliger mit vielen Fragezeichen
Heil und Frieden!“– diesen Gruß stellte Franziskus an den Beginn jeder Begegnung. Es dürfte in Anlehnung an einen Mann passiert sein, der schon zuvor mit diesem Segenswunsch durch Assisi zog. Schlussendlich wurde daraus die bis heute verwendete franziskanische Grußformel „pace e bene“, „Friede und Gutes“.
Zu finden ist diese Schilderung in der „Dreigefährtenlegende“, einer von mehreren Sammlungen von Begebenheiten und Erinnerungen an den Heiligen. Als ihre Verfasser gelten Leo, Rufinus und Angelus, drei von Franziskus’ ersten Mitbrüdern. Tatsächlich dürfte dahinter ein unbekannter Verfasser stehen, wie Helmut Feld, katholischer Theologe und Kirchenhistoriker, in seinem Buch „Franziskus von Assisi“erläuterte. Sie dürfte um 1245, also knapp 20 Jahre nach dem Tod des Heiligen, verfasst worden sein.
Nochmals 20 Jahre später erschien dann jedoch jene Heiligenbeschreibung, die das Franziskus-bild über Jahrhunderte hinweg prägen sollte: Bonaventuras „Legenda maior“. Der Begriff „Legenda“bedeutete im Mittelalter einfach „das, was zu lesen ist“, so Kirchenhistoriker Feld. Und das galt für dieses Werk im wörtlichen Sinne: Bonaventura, General des Ordens, ließ seine Franziskus-„biografie“zur einzig gültigen innerhalb und außerhalb des Ordens erklären. Viele Erinnerungen an und Erzählungen vom Heiligen gingen damit unwiederbringlich verloren, vieles aus Franziskus’ Leben lässt sich damit nicht mehr historisch belegen.
Volker Leppin, evangelischer Theologe und Kirchenhistoriker: „Bonaventura versuchte in
Heute ist der Gedenktag Franz von Assisis, eines der
bekanntesten (und beliebtesten) Heiligen der katholischen Kirche. Sein wahres Leben lässt sich trotz zahlreicher Beschreibungen aber nur noch zum Teil
nachzeichnen.
einer heiklen Phase der Ordensgeschichte, das Bild des Gründers so zu zeichnen, dass er die auseinanderstrebenden Zweige der Franziskaner zusammenhalten konnte.“Schon bald nach Ordensgründung war das Armutsideal zur zentralen Frage geworden. Dass Christus nachzufolgen bedeute, besitzlos zu leben, darüber waren sich die Brüder einig, allerdings nicht über den Grad. Während es Bonaventura übrigens noch gelang, den Orden zusammenzuhalten, kam es später zu einer Aufspaltung in Minoriten, Franziskaner und Kapuziner.
Im späten 14. Jahrhundert erschienen schließlich die „Fioretti“, eine in italienischer Sprache verfasste Sammlung von Legenden, die auch in unsere Breiten vordrang. Eine der wohl bekanntesten daraus ist jene über den Wolf von Gubbio:
Franziskus brachte ihn dazu, keine Menschen und Tiere mehr zu töten, und dafür würde er von den Bürgern der Stadt versorgt. Franziskus-experte Feld: „Der Wolf, der einen von der Gesellschaft verstoßenen Gesetzesbrecher symbolisiert, wird durch das friedensstiftende Wirken Franziskus’ mit Gubbio versöhnt. Für seine schweren Verbrechen, Raub und Mord, wird er nicht bestraft, er erlangt Vergebung und Gnade. Denn die Ursache alles Bösen war der Hunger, die Verweigerung von Lebensnotwendigem durch die Stadt.“Dass die Welt durch die franziskanische Friedensbotschaft besser geworden sei, möge man bezweifeln. „Sicher ist jedoch, dass die literarischen Zeugnisse darüber zu den hervorragendsten und nachdenkenswertesten gehören, was der menschliche Geist hervorgebracht hat.“
160 Seiten, 19,80 Euro