Kein letzter Tango, aber Tanz-dis-tanz
Ursula Gigler-gausterer, Intendantin der Grazer Bühnenwerkstatt, über Limits, Restriktionen, Mut,
Chancen und das Jubiläums-tanztheaterfest 2021.
14 Tage vor Festivalbeginn nur in Deutschland und Österreich aufgehalten zu haben. Trotz Unsicherheiten war das Interesse an den Workshops und Veranstaltungen groß.
Sie trieben maßgeblich die Etablierung einer Grazer Tanzszene an. Bewegt diese sich in der Pandemiezeit rückläufig?
Eine Krise bietet auch immer eine Chance, die eigene Resisich lienz zu stärken und dafür neue Handlungsoptionen zu erproben, etwa mit den heutigen Neuen Medien. Damit sind wir alle gefordert: Organisation, Fördergeber, Künstlerinnen und Künstler und nicht zuletzt das Publikum. Ich erinnere mich noch gut, wie Tomáˇs Danielis und Claudia Fürnholzer beim Auftragswerk für das Minoritenfestival schon 2010 mit dem litauischen „Kaunas Dance Theatre Aura“eine Online-produktion erarbeitet haben.
Wie sehen Sie die „Überlebenschancen“von Freischaffenden?
Die grundsätzliche Frage ist: Wie sieht unsere Gesellschaft in Post-pandemie-zeiten aus? Ist sie bereit, künstlerische Leistung angemessen zu honorieren? Viele aktuelle Zeichen verunsichern da schon sehr. Ich möchte hier Herbert von Karajan zitieren: „Jede künstlerische Leistung ist ein Sieg über die menschliche Trägheit.“Diese Siege müssen jeden Tag aufs Neue errungen werden. Sonst vergisst dich die Gesellschaft sehr rasch.
Mein Team arbeitet bereits mit internationalen Kompanien an der Entwicklung möglicher Modelle, um auch im Worstcase-szenario zu bestehen. Eine Öffnung hin zu neuen Formen einer künstlerischen digi
talen Realität ist bereits beschritten und muss Teil unserer Zukunftsstrategie sein. Künstlerinnen und Künstler waren immer schon Wegbereiter für Zukünftiges. Vielleicht gelingt es ihnen mit dem Tanz auch in der Dis-tanz und einer physischen wie virtuellen Gemeinsamkeit, künstlerische Wege zu beschreiten, die wieder zu natürlicher Körperlichkeit führen.
Was ist eigentlich 30. Tanztheaterfestival 2021 geplant?
für im
Es wird eine Vor- und Rückschau sein mit Einbindung internationaler Künstlerinnen und Künstler, die das Festival über Jahre begleitet und mitgestaltet haben.
Welche internationalen Kompanien hätten Sie gerne dabei?
Viele Wünsche begleiten mich, etwa das „Nederlands Dans Theater“oder Mourad Merzoukis Stück „Vertikal“nach Graz zu bringen; auch Begegnungen bereits älterer etablierter Gruppen mit dem Zeitgeist junger Choreografinnen und Choreografen. Spannende Künstlerpersönlichkeiten mit dramaturgischem Mut fesseln und berühren mich, wie zum Beispiel die Belgierin Anne Teresa de Keersmaeker mit ihrem neuen Solo über die Goldberg-variationen bei den diesjährigen Wiener Festwochen. Herausforderung und Vision, diese faszinierende Choreografin in Graz begrüßen zu dürfen.