Die Herrschaft der Rattenfänger
Der Künstler Scott Adams, der mit seinem Comicstrip Dilbert weltberühmt – und reich – wurde, beschimpft auf Twitter den demokratischen Bewerber Joe Biden wiederholt. Er lässt die Welt ungefiltert an dem teilhaben, was ihm gerade durch den Kopf geht, so wie Präsident Trump, der auch schon mal Verschwörungstheorien und wüste Beleidigungen teilt – an 85 Millionen Follower.
Warum benehmen sich prominente, erfolgreiche Menschen auf diese Art? Es ist möglich, dass die Nutzung des Internets das menschliche Denken verändert, aber hier haben wir es mit Altem zu tun. Auch vor der Internetzeit waren Fremdenhass, Streitsucht, Verschwörungstheorien im privaten und lokalen Bereich vorhanden – aber sie wurden weitgehend nicht veröffentlicht. Das hat sich in kurzer Zeit fundamental gewandelt. Warum?
Auf sozialen Medien fallen Barrieren der Mitteilung weg: die Kosten eines Flugblatts, der Redakteur der Meinungs- oder auch der Anstand zwischen Menschen. Am Smartphone zu Hause, ohne den urteilenden Blick eines Gesprächspartners, wird die Transgression zu einfach. Mehr noch – je wilder, je entgrenzter man auf sozialen Medien ist, desto mehr wird geklickt und geteilt. „Der traut si was“– obwohl nichts so feige ist, wie Menschen zu beleidigen, ohne ihnen in die Augen zu sehen.
Die Folgen: eine polarisierte Gesellschaft, Erfolge für identitäre Parteien, die Korrumpierung der faktenbasierten politischen Diskussion, das Entstehen nur schwer identifizierbarer Manipulationsnetze, die auch in Wahlen eingreifen und damit die Grundlage der westlichen Demokratien erschüttern.
Neu ist das nicht: Mit dem Buchdruck hatten wir das schon einmal. Auf anonymen Flugblättern des 16. und 17. Jahrhunderts waren Juden Kindermörder, gar Kannibalen; heilkundige Frauen Hexen; und Protestanten und Katholiken riefen zum gegenseitigen Mord auf. Die Welt des Dreißigjährigen Kriegs war polarisiert, voller identitärer Parteien, korrumpierter Fakten und schwer identifizierbarer Manipulationsnetze.
Wir haben dann für den Diskurs mühsam neue Regeln entwickelt, mit Pflichten und Rechten. Dem Autorprinzip, verankert in den Regeln des Medienrechts (dass man zum Beispiel ein Impressum haben muss oder Entgegnungen veröffentlichen muss), folgte die Gatekeeper-funktion von Zeitungen, später Radio und TV. Sie filterten, welche Nachrichten öffentlich wurden, und wurden rechtlich auf die Faktizität des Berichteten verpflichtet. Dafür erkämpften diese Medien sich das Recht auf Freiheit von Zensur – im Austausch für die gesetzlich veranleserbriefseite, kerte Verantwortung der Medien.
Die für alle verfügbaren sozialen Medien mit globaler Reichweite unterlaufen diese gesellschaftlichen Umgangsregeln. Die Gatekeeper-funktion wird hinfällig, das Autorprinzip greift nicht mehr. Wie beim