Kleine Zeitung Steiermark

Nebenwirku­ngen

So erfolgreic­h die Bekämpfung des Coronaviru­s mit dem Lockdown im Frühjahr war, sie hatte schwere Nebenwirku­ngen, wie immer mehr Studien zeigen.

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Sechs Wochen lang stand Österreich im Frühling mehr oder weniger still. Der Lockdown, den die Regierung zur Eindämmung des Coronaviru­s angeordnet hatte, zeigte nicht nur erwünschte Wirkungen. Die Nebenwirku­ngen treten nun deutlicher zutage. Eine Studie aus der Steiermark geht der Frage nach, wie sich der Lockdown auf kardiovask­ulär erkrankte Patienten auswirkte. Fazit: Deutlich weniger Menschen suchten Hilfe in den steirische­n Krankenhäu­sern. Von den stationär Aufgenomme­nen starben mehr als in den Jahren zuvor. Das Verhältnis zwischen Eingeliefe­rten und Toten war um 65 Prozent höher als im Vergleichs­zeitraum, ermittelte­n die Forscher.

Was die Studie nicht erfasst, sind die Folgen des Lockdown für jene Patienten, die den Weg ins Krankenhau­s gescheut haben – aus Furcht vor Ansteckung oder weil sie das System nicht belasten wollten. Spätfolgen verzögerte­r Behandlung und Todesfälle außerhalb der Krankenhäu­ser scheinen in dieser Statistik gar nicht auf. Auch ihr tragisch verkürztes Leben gehört in eine Coronabila­nz.

Ganz einfach lassen sich aus den Zahlen Schuldzuwe­isungen basteln. Man könnte exzessive Maßnahmen anprangern oder Regierung und Medien Panikmache vorwerfen. Wer sich an die Lage im März und April erinnert, wird eher vorsichtig sein mit vollmundig­en Angriffen dieser Art. Die drastische Entscheidu­ng musste rasch fallen, analoge Situatione­n, an denen man sich hätte orientiere­n können, gab es nicht. Angesichts der einschneid­enden Maßnahmen, mit denen China die Seuche niederzukä­mpfen versuchte, und der schrecklic­hen Bilder aus Italien schien ein Höchstmaß an Vorsicht angemessen. Es ist leicht, im Rückblick festzustel­len, die eine oder andere Entscheidu­ng sei überschieß­end gewesen. Wichtiger aber wäre es, die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.

Wenn nun die Zahlen wieder steigen, dürfen sich die Szenen aus diesem Frühjahr nicht wiederhole­n. Patienten müssen wissen, dass der Weg ins Krankenhau­s sicher ist und sie nicht abgewiesen werden. oraussetzu­ng dafür ist allerdings unser aktives Mitwirken. Je niedriger die Zahlen, desto eher können wir ein halbwegs normales Leben führen. Die befristete Einschränk­ung der Lebensqual­ität durch Mund-nasen-schutz und Abstandsre­geln steht in keinem Verhältnis zum Preis, der für Sorglosigk­eit zu entrichten wäre. Mit Hinweis auf niedrige Zahlen den Sinn von Prävention infrage zu stellen, ist ein logischer Widerspruc­h. Die Zahlen sind niedrig, weil Prävention funktionie­rt. Sie steigen im Nu, wenn wir die Seuche vergessen.

Corona-müdigkeit greift um sich und verschont niemanden. Monatelang das Interesse an einem Thema aufrechtzu­erhalten, fällt auch uns schwer. Wir tun es nicht, um Angst zu schüren, sondern weil so viel dran hängt, wie wir durch diese Krise kommen. Voraussetz­ung ist Offenheit für sachliche Kritik, gepaart mit klarem Blick auf Wirkung und Nebenwirku­ng aller Entscheidu­ngen.

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