Wenn Sexismus plötzlich für alle lesbar wird
Aktivistinnen schreiben explizite Sprüche auf Grazer Straßen und machen damit gegen Sexismus mobil.
Aufmerksam machen, diskutieren, erklären – und damit Sexismus bekämpfen. Das ist die Idee hinter der „Catcalls of Graz“-initiative.
Sarah Kampitsch und Mitstreiterinnen schreiben explizite Aufforderungen und vermeintliche Komplimente auf die Straßen, die Frauen im öffentlichen Raum von Männern unaufgefordert zu hören bekommen. Und zwar an jenen Orten, wo diese „Catcalls“genannten Sprüche gesagt wurden. Das ist oft in der Nähe von Lokalen, oft vom Auto aus zugerufen, „sehr häufig aber in klassischen Wohngegenden“, erzählt Kampitsch.
„Du schaust aus, als hättest du schon lange keinen Sex mehr gehabt.“Oder „So ein hübsches Mädl. Setz dich auf meinen Schoß.“Das sind noch die harmlosen Sprüche, jene, die man in einer Zeitung wiedergeben kann. Anhören müssen sich Frauen noch viel mehr.
Um diese Art der sexuellen Belästigung breit diskutieren zu können, werden die Catcalls am 9. Oktober mit Straßenkreide auf den Grazer Hauptplatz geschrieben (bei Schlechtwetter am 14. Oktober). Unter dem Titel „Chalk Back“– einem englischen Wortspiel mit „Kreide“und „Widerrede“– „wollen wir die Geschichten ab 16.30 Uhr gemeinsam aufschreiben“, sagt Kampitsch.
Betroffene können ihre Geschichte selbst erzählen oder anonym in eine Box werfen.
„Manche Männer glauben ja wirklich, sie machen den Frauen ein Kompliment, wenn sie solche Dinge sagen“, ist Kampitsch überzeugt. Sie, die am Land aufgewachsen ist, bekam viele solche Sprüche und anzügliche Bemerkungen von klein auf zu hören und hielt es für normal. „Dieses ständige öffentliche Bewerten durch Männer – das habe ich erst später reflektiert, dass das nicht die Norm sein darf.“
Seit 2019 schreibt sie Catcalls nun offen auf die Straße. Für alle lesbar. Damit will sie zeigen, wie unangebracht solche Sprüche in Wahrheit sind. „Durch die Visualisierung sehen andere Frauen, dass sie nicht alleine sind“, so Kampitsch. Und es soll ein Bewusstsein wachsen, sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Die Idee dazu stammt aus New York. Über das soziale Medium Instagram wurde daraus eine weltweite Bewegung. Die niedergeschriebenen Catcalls werden fotografiert und ins Netz gestellt. Für alle lesbar.