Ludwig hat die Wahl: drei Koalitionen möglich
FPÖ verliert zwei Drittel der Wähler, Strache wahrscheinlich nicht drin, Sieger Michael Ludwig kann zwischen ÖVP, Grünen und Neos wählen.
Es war ein Erdrutsch, wie er nur selten an Wahltagen zu beobachten ist. Hatte 2015 die damals von Heinzchristian Strache geführte FPÖ noch die Hürde von 30 Prozent übersprungen, musste sie am Sonntag ein regelrechtes Debakel hinnehmen. Sie rutschte nach Hochrechnungen in den einstelligen Bereich ab und lag zwischendurch noch hinter den Neos an fünfter Stelle. Strache selbst, der mit vier ausgetretenen Fpö-gemeinderäten gegen die eigene Partei angetreten war, wird den Einzug in den Gemeinderat voraussichtlich nicht schaffen.
Das freigewordene Wählerpotenzial verhalf einerseits der ÖVP zu einer Verdoppelung ihres einstelligen Ergebnisses von 2015, andererseits nahm die Zahl der Nichtwähler stark zu. Die Wahlbeteiligung sackte von 75 Prozent auf – immer laut Hochrechnungen – etwas über sechzig Prozent ab.
Gestärkt geht aus dem Urnengang auch die in Wien seit zehn Jahren regierende Koalition aus SPÖ und Grünen hervor. Die Grünen leiteten am Wahlabend daraus einen Auftrag zur Weiterführung der Koalition ab.
Bürgermeister Michael Ludwig, der sich das bescheidene Ziel gesetzt hatte, das schwache Ergebnis seines Vorgängers Michael Häupl zu halten, ließ sich nach seinem Sieg allerdings alles offen. Er werde, wie er schon vor der Wahl gesagt hatte, mit allen Parteien außer der FPÖ und Strache verhandeln. Die Partei, mit der sich die größte „Schnittmenge“finden lasse, werde der Koalitionspartner der SPÖ sein, sagte er nüchtern.
boten auch die anderen Wahlsieger ihre Zusammenarbeit an. Er habe immer gesagt, er wolle in Wien mitgestalten, sagte etwa Gernot Blümel (ÖVP). Das Finanzministerium würde er in diesem Fall aufgeben. Gerüchte, er verlange das Amt des Finanzstadtrats, sollte es zu einer Koalition mit der SPÖ kommen, bestätigte er nicht direkt. Wohl aber deutete er indirekt sein Interesse an dem Amt an. Bundeskanzler Sebastian Kurz stellte allerdings in abendlichen Stellungnahmen die Zusammenarbeit von Türkis und Rot als eher unwahrscheinlich dar.
Auch die Neos, die starke Zugewinne verzeichnen konnten, bekundeten ihr Interesse am Mitregieren. Als einzige Partei haben sie der SPÖ schon vor der Wahl ihre Bedingungen für eine eventuelle Regierungszusammenarbeit genannt – Investitionen auf dem Sektor Bildung und mehr Transparenz vor allem. Der Wahlausgang lässt eine solche Koalition zu.
Für den Urnengang hatte die Wahlbehörde strenge Coronasicherheitsvorkehrungen getroffen. Plexiglaswände schirmten die Wählerinnen und Wähler von den Beisitzern ab. Wer kein eigenes Schreibgerät mithatte, erhielt einen desinfizierten Kugelschreiber, der nach Benutzung abermals desinfiziert wurde. Im Rathaus waren für die Journalisten separate Arbeitskojen eingerichtet. Es herrschte allgemeine Maskenpflicht. Der übliche Jubel der Funktionäre und Anhänger fiel aus, da nur wenige Menschen in den Parteilokalen anwesend waren.
Wie das Ergebnis dieser Wahl endgültig aussehen wird, steht erst nach Auszählung der Wahlkarten fest. Diese kann erst heute um neun Uhr beginnen. Da nahezu die Hälfte aller Stimmen schon vor dem Wahltag abgegeben worden war, könnte das endgültige Ergebnis der Auszählung erst am Dienstag vorliegen.