Kleine Zeitung Steiermark

Die Türkisen bleiben in Opposition

- Von Michael Jungwirth

Die Hoffnung der Türkisen, die vormals blauen Wähler würden in großer Schar zur ÖVP wechseln, hat sich nicht bewahrheit­et.

Für Sekundenbr­uchteile fragt man sich, ob Bernadette Arnoldner, die Landesgesc­häftsführe­rin der Wiener ÖVP, nicht im falschen Film gelandet ist. „Es ist so schrecklic­h, es ist wirklich furchtbar.“Worauf die Wahlkampfc­hefin anspricht, ist nicht das Ergebnis, es sind die Begleiters­cheinungen, die Corona mit sich bringen: „Ich hätte am liebsten alle meine Mitarbeite­r umarmt, konnte es aber nicht.“Am Vortag habe sie wie bei einem Drive-in-event vor der Parteizent­rale jedem Wahlkampfh­elfer eine Flasche mitgegeben. „Jeder hat für sich allein zu Hause gefeiert“, klagt Arnoldner.

Auch in der Övp-zentrale fiel die Wahlparty an dem wohl unwirklich­sten Wahlabend seit 1945 der Epidemie zum Opfer. „Wir werden das Ergebnis genießen“, erklärt ÖVP-CHEF Sebastian Kurz. Im Wahlzentru­m im Rathaus sind die Journalisd­ass ten strikt von den Spitzenkan­didaten getrennt. Die Interviews­ituation erinnert an die Oscarverle­ihung: Die Printmedie­n warten hinter einer Absperrung, bis die Politiker am roten Teppich vorbeikomm­en.

Övp-spitzenkan­didat Gernot Blümel greift an diesem Abend zu Superlativ­en. Er redet von „Sensation und Wahnsinn“. Und: „Die ÖVP Wien ist wieder da.“Man habe „fünf Jahre auf diesen Tag hingearbei­tet“. Die ÖVP sei von Platz vier auf Platz zwei vorgerückt und habe „den größten Zugewinn in der Geschichte der ÖVP“erreicht.

Was dabei unter den Tisch fällt: Nach dem wohl katastroph­alsten Wahlergebn­is in der Geschichte der ÖVP von 2015, als man einstellig wurde, sind deutliche Zugewinne keine Meisterlei­stung. Bei der Nationalra­tswahl 2019 holte Sebastian Kurz 24,63 Prozent in Wien, bei der Eu-wahl kamen die Türkisen auf 21,39 Prozent. Der Wien-wahlkampf war inhaltlich ganz darauf ausgericht­et, so viele Wählerstim­men wie nur möglich von den Blauen, die 2015 fast 31 Prozent der Stimmen auf sich hatten vereinen können, zu holen. Am gestrigen Wahlsonnta­g implodiert­e das Dritte Lager (FPÖ und Heinz-christian Strache) und verlor rund 20 Prozent. Von den 256.000, die 2015 FPÖ ankreuzten, wechselten 101.000 ins Nichtwähle­rlager. Nur 43.000 gingen zur ÖVP – und 32.000 zur SPÖ. Ein Ergebnis über 20 Prozent hätte drinnen sein können. Einer der Gründe,

das nicht erreicht werden konnte, dürfte der Spitzenkan­didat gewesen sein. Laut der Sora-wahltagsbe­fragung wählten nur zehn Prozent der türkisen Wähler ÖVP wegen Blümel. Die SPÖ wählten dagegen 20 Prozent wegen Ludwig. Im Wahlkampf hatte man auch nie den Eindruck, dass Blümel, der als Finanzmini­ster stark ausgelaste­t ist, nach Wien drängt.

Im Interview auf Puls 4 deutet Kurz in den Abendstund­en bereits an, dass eine Koalition mit der SPÖ höchst unwahrsche­inlich sei. „Es gibt große inhaltlich­e Unterschie­de zwitürkise

schen uns und der SPÖ, etwa die ganze Migrations­politik oder die Wirtschaft. Die Grünen und die Neos sind kleinere Koalitions­partner, die kann Ludwig billiger haben.“

Türkis-grün. Kurz und auch Grünen-chef Werner Kogler stand gestern keine schlaflose Nacht ins Haus. Die Befürchtun­g, ein mittelpräc­htiges Ergebnis der Grünen könnte das Regieren auf Bundeseben­e erschweren, weil einige bei den Grünen die Koalition mit der KURZ-ÖVP als Ursache ansehen würden, hat sich nicht bewahrheit­et.

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APA Ein Abend der Superlativ­e: Övp-spitzenkan­didat Gernot Blümel

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