Kleine Zeitung Steiermark

Alles auf Rot

- Andreas Lieb

Flickentep­pich, sagte die Kommission­spräsident­in in ihrer Videoanspr­ache und meinte damit das, was man hierorts unter Fleckerlte­ppich versteht. Natürlich ging es nicht um textile Fachbegrif­fe, sondern um die aktuellen Corona-reiseregel­n in Europa. Die Eu-kommission hatte Anfang September einen vernünftig erscheinen­den Vorschlag gemacht, wie man das Durcheinan­der auflösen und halbwegs einheitlic­he Regeln einführen könnte. Heute wird das, was davon übrig blieb, in Luxemburg beschlosse­n.

Österreich enthält sich, der Grund ist triftig. Seit September haben sich die Zahlen massiv verschlech­tert und die Datenbasis für Rot, Orange oder Grün funktionie­rt nicht mehr im Sinne des Erfinders. Über die Dauer allfällige­r Quarantäne­n ist man sich nicht einig und der Umstand, dass zwar Grün freie Fahrt heißt, Orange und Rot aber schon wieder zu verpflicht­enden Tests und/ oder Quarantäne führen, hilft nicht wirklich weiter.

Das Grundprobl­em ist geblieben: Solche Maßnahmen bleiben in der Hoheit der Mitgliedsl­änder. Kein Tiroler Skigebiet will sich von Brüssel vorschreib­en lassen, ob die Touristen nun Tests brauchen oder nicht. mmerhin ist im Vorschlag ein Ausnahmeka­talog enthalten, etwa für Gesundheit­skräfte, Lkw-fahrer, Arbeits-grenzpendl­er oder pendelnde Studenten. Für Journalist­en übrigens auch.

Die heutige Entscheidu­ng wird als „wichtiger Schritt in die richtige Richtung“gesehen. Mehr ist es aber nicht.

Die Pandemie zeigt Europa auf, wo die Grenzen sind, die es sich selbst gesetzt hat.

Diese Ampeln bleiben auf Rot.

I

Österreich­s Botschafte­r in Washington liefert in losen Abständen Zustandsbe­richte von der Coronakris­e und ihren Auswirkung­en auf den Wahlkampf in den USA.

Weder über die Zahl noch über die Qualifikat­ion für das Richteramt verliert die Us-verfassung auch nur ein Wort. Nur eben, dass es einen Supreme Court geben muss, ist festgelegt. Selbst das ehrwürdige, säulenbewe­hrte Gebäude in unmittelba­rer Nähe des Us-kapitols, wie man es aus vielen Washington-fotos so gut kennt, besteht erst seit dem Jahr 1935. Bis dahin musste sich der Supreme Court mit Räumlichke­iten im Kongress-gebäude begnügen.

Ein einfaches Gesetz genügt also, um die Zahl der Richter des Gerichtsho­fs zu bestimmen. Tatsächlic­h schwankte die Zahl der Richterinn­en und Richter des Supreme Court in der Geschichte der USA zwischen fünf und zehn, seit 1869 sind es neun. er Versuch von Präsident Franklin D. Roosevelt im Jahr 1937, diese Zahl aus durchsicht­igen politische­n Gründen zu erhöhen, scheiterte spektakulä­r. Der Gerichtsho­f hatte mehrere Wirtschaft­sgesetze der Roosevelt-administra­tion aufgehoben, mit denen der Präsident versuchen wollte,

Ddie USA aus der Depression zu führen. In der Folge wollte Roosevelt den Supreme Court auf 15 Mitglieder vergrößern, im Senat erhielt dieser Gesetzesvo­rschlag allerdings eine klare Abfuhr von 70 zu 22 Stimmen.

Doch die Diskussion um die Zahl der Richterinn­en und Richter am Supreme Court erhält nach der blitzartig­en Nominierun­g der konservati­ven Juristin Amy Coney Barrett und ihrer möglichen Bestellung noch so kurz vor den Us-wahlen eine neue Relevanz. st nun die Zeit gekommen, um die Zahl der Richterinn­en und Richter zu erhöhen? Eine demokratis­che Mehrheit bei den Anfang November gemeinsam mit der Präsidents­chaftswahl anstehende­n Senatswahl­en könnte den Weg dafür ebnen. Aber wie man schon aus der griechisch­en Mythologie weiß: Beim Öffnen der Büchse der Pandora ist große Vorsicht geboten. Was einem heute politisch opportun erscheint, kann sich bei geänderten Mehrheitsv­erhältniss­en in Zukunft bitter rächen.

I

 ??  ??
 ?? AP ?? Us-präsident Donald Trump nominiert Amy Coney Barrett im Rosengarte­n des Weißen Hauses für den Supreme Court
AP Us-präsident Donald Trump nominiert Amy Coney Barrett im Rosengarte­n des Weißen Hauses für den Supreme Court

Newspapers in German

Newspapers from Austria