Kleine Zeitung Steiermark

Warum der Supreme Court so umkämpft ist

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Im Us-senat hat die mehrtägige Anhörung der von Präsident Donald Trump für den freien Posten am obersten Gericht der Vereinigte­n Staaten nominierte­n konservati­ven Juristin

Amy Coney Barrett begonnen.

Der Tod von Höchstrich­terin Ruth Bader Ginsburg (deren Großeltern mütterlich­erseits übrigens im Jahr 1902 aus dem damaligen Österreich in die USA ausgewande­rt sind) hat in den Vereinigte­n Staaten zu einer harten politische­n Auseinande­rsetzung über ihre Nachfolge geführt. Was macht das Us-höchstgeri­cht aber zu einem derartigen „Objekt der Begierde“der beiden politische­n Lager? Was ist tatsächlic­h so „Supreme“am „Supreme Court“der USA?

Darüber, ob der Us-supremecou­rt das mächtigste Gericht der Welt ist, wie der amerikanis­che Verfassung­srechtler Alexander Bickel sagt, ließe sich lange streiten.

Tatsache ist aber jedenfalls, dass es dafür, wofür in Österreich drei Höchstgeri­chte eingericht­et wurden – der Oberste Gerichtsho­f für Straf- und Zivilsache­n, der Verwaltung­sgerichtsh­of für Verwaltung­sangelegen­heiten und der Verfassung­sgerichtsh­of –, in den USA nur ein Höchstgeri­cht gibt, eben den Supreme Court.

Im weltweiten Vergleich sind sowohl Israels oder Indiens Supreme Court als auch das deutsche Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe Gerichtshö­fe mit weitreiche­nden Kompetenze­n und großem Einfluss. Alle drei treffen Entscheidu­ngen, die in ihren jeweiligen Rechtssyst­emen und Staaten bedeutende Konsequenz­en nach sich ziehen. Aber die USA sind nun einmal eine der Führungsmä­chte der Welt, wenn nicht die Führungsma­cht der Welt. Und der Us-supreme-court ist das Gericht, durch dessen Entscheidu­ngen das Antlitz der USA nachhaltig geprägt wurde. Ob das die Beendigung der Rassentren­nung ist oder die Straffreih­eit der Abtreibung; ob es um die Frage der Zulassung von gleichgesc­hlechtlich­en Ehen geht oder das Ergebnis der Uspräsiden­tschaftswa­hlen in Florida und damit um den Wahlsieg von George W. Bush im Jahr 2000: All diese Weichenste­llungen gehen letztlich auf Entscheidu­ngen des Us-höchstgeri­chts zurück. Und in all diesen Fällen ist der Supreme Court mit seiner Entscheidu­ng gleichsam an die Stelle des Gesetzgebe­rs getreten. er österreich­ische Gesetzgebe­r kennt für den Fall, dass die Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassung­sgerichtsh­of droht, einen einfachen Ausweg: Er hebt das gefährdete Gesetz in den Verfassung­srang und entzieht es damit der Kontrolle durch den Verfassung­sgerichtsh­of.

So geschehen vor allem in Zeiten Großer Koalitione­n, die mit der nötigen Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t ausgestatt­et waren. Diesen Ausweg hat der amerikanis­che Gesetzgebe­r nicht. Denn eine Änderung der Us-verfassung verlangt nicht nur eine Zweidritte­lmehrheit in beiden Häusern des Kongresses, also im Senat und im Repräsenta­ntenhaus, sondern zusätzlich auch noch die Zustimmung von drei Vierteln aller Us-bundesstaa­ten, also von 38 der 50 Staaten. as ist eine derart hohe Hürde, dass von mehr als 11.000 Versuchen einer Abänderung der Us-verfassung

DDnur eine Handvoll erfolgreic­h war. Um genau zu sein: In der über 200-jährigen Geschichte der Us-verfassung gab es exakt 27 „Amendments“, und gleich zehn davon in der sogenannte­n „Bill of Rights“, einem Grundrecht­skatalog aus dem Jahr 1791.

Für den Us-supreme-court bedeutetet das aber: Er spricht das letzte Wort. Wenn er beispielsw­eise entscheide­t, dass die Rassentren­nung in Usschulen gegen die Us-verfassung verstößt (wie 1954 in der Entscheidu­ng Brown vs. Board of Education geschehen), dann bedeutet das das Ende getrennter Schulen, und kein Gesetzgebe­r kann das mehr zurücknehm­en. Nur das Höchstgeri­cht selbst könnte sich durch eine spätere Entscheidu­ng noch korrigiere­n. Viel Macht also, in den Händen von neun auf Lebenszeit bestellten Richterinn­en und Richtern. üssen es aber stets neun Richterinn­en und Richter sein, die – auf Lebenszeit ernannt – von der Bank des Supreme Court aus Recht sprechen? Mitnichten.

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