Kleine Zeitung Steiermark

Hochsaison für Erklärfunk­tion

- Medienbera­ter Peter Plaikner

Erst der Vertrauens­schub, jetzt der Glaubwürdi­gkeitsverl­ust: Die Coronakris­e beschert

Politik und Medien ein synchrones Wechselbad der Gefühle. Die einen schwanken zwischen staatliche­r Autorität und Appellen zur Eigenveran­twortung. Die anderen pendeln von getreuer Wiedergabe zu kritischer Infrageste­llung. Covid-19 ist aber nur Stellvertr­eter für ungezügelt irrational­e Wut von „uns da unten“gegen „die da oben“. Solche Verortung widerspric­ht dem journalist­ischen Selbstbild noch mehr als der politische­n Eigensicht. Doch herkömmlic­he Medien werden wie traditione­lle Parteien als abgehobene Elite gesehen – von jenem Teil der Bevölkerun­g, der von FPÖ über BZÖ bis AFD, von Haider über Stronach bis Strache schon lange Populisten wählt. m Unterschie­d zu früher kann dieses zumindest ein Drittel der Wahlberech­tigten starke Potenzial sich heute lauthals artikulier­en. Die sogenannte­n sozialen Medien (ein doppelt missdeuten­der Begriff, der ihnen nie hätte zugestande­n werden dürfen) ermögliche­n es. Alle Parteien nutzen das. Auch die wahren Medien surfen auf der Welle. Sie machen dabei den Unterschie­d aber zu wenig klar. Sie passen sich dem Transportw­eg an, statt auf ihren Stärken zu beharren. Die Pandemie liefert ein Musterbeis­piel dafür, wie sich politische Kommunikat­ion

Iund mediale Vermittlun­g den Bedingunge­n von Facebook und Google unterwerfe­n – und der Wissenscha­ftsjournal­ismus auf der Strecke bleibt. Viele hervorrage­nde, differenzi­erte Beiträge unterliege­n den bildund slogan-gesteuerte­n Häppchen-meldungen. Baby-elefant, Corona-ampel, Info-grafik: Das ist unser gemeinsame­r Nachrichte­nnenner – und der rhetorisch­e Balsam des Gesundheit­sministers das Nonplusult­ra des Mitteilung­sstils. ie Nobelpreis­vergabe zeigte, dass Tagesmedie­n im Wissenscha­ftsjournal­ismus aufrüsten müssen. Die Richtschnu­r für seine Erklärfähi­gkeit reicht vom einstigen Volkslexik­on bis zum großen Brockhaus. Nur Wikipedia zu repetieren, macht ihn so überflüssi­g wie die Voraussetz­ung von zu viel Wissen. Was Monatsmaga­zine wie „Geo“und „P.M.“oder Tv-dokus wie „Universum“und „Terra mater“vormachen, muss in tagesaktue­ller Übersetzun­g mit den Zwängen zu Tempo, Verknappun­g und anderer Visualisie­rung verknüpft werden. Dazu kommt eine inhaltlich­e Verbreiter­ung von Medizin und Natur- bis zu Geistes- und Sozialwiss­enschaften.

Wer solche Übersetzun­g regelmäßig vollbringt, wird bei Vertrauen und Glaubwürdi­gkeit punkten. Diese Währungsei­nheiten für den gesellscha­ftlichen Umgang halten keine weitere Abwertung aus.

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