Hochsaison für Erklärfunktion
Erst der Vertrauensschub, jetzt der Glaubwürdigkeitsverlust: Die Coronakrise beschert
Politik und Medien ein synchrones Wechselbad der Gefühle. Die einen schwanken zwischen staatlicher Autorität und Appellen zur Eigenverantwortung. Die anderen pendeln von getreuer Wiedergabe zu kritischer Infragestellung. Covid-19 ist aber nur Stellvertreter für ungezügelt irrationale Wut von „uns da unten“gegen „die da oben“. Solche Verortung widerspricht dem journalistischen Selbstbild noch mehr als der politischen Eigensicht. Doch herkömmliche Medien werden wie traditionelle Parteien als abgehobene Elite gesehen – von jenem Teil der Bevölkerung, der von FPÖ über BZÖ bis AFD, von Haider über Stronach bis Strache schon lange Populisten wählt. m Unterschied zu früher kann dieses zumindest ein Drittel der Wahlberechtigten starke Potenzial sich heute lauthals artikulieren. Die sogenannten sozialen Medien (ein doppelt missdeutender Begriff, der ihnen nie hätte zugestanden werden dürfen) ermöglichen es. Alle Parteien nutzen das. Auch die wahren Medien surfen auf der Welle. Sie machen dabei den Unterschied aber zu wenig klar. Sie passen sich dem Transportweg an, statt auf ihren Stärken zu beharren. Die Pandemie liefert ein Musterbeispiel dafür, wie sich politische Kommunikation
Iund mediale Vermittlung den Bedingungen von Facebook und Google unterwerfen – und der Wissenschaftsjournalismus auf der Strecke bleibt. Viele hervorragende, differenzierte Beiträge unterliegen den bildund slogan-gesteuerten Häppchen-meldungen. Baby-elefant, Corona-ampel, Info-grafik: Das ist unser gemeinsamer Nachrichtennenner – und der rhetorische Balsam des Gesundheitsministers das Nonplusultra des Mitteilungsstils. ie Nobelpreisvergabe zeigte, dass Tagesmedien im Wissenschaftsjournalismus aufrüsten müssen. Die Richtschnur für seine Erklärfähigkeit reicht vom einstigen Volkslexikon bis zum großen Brockhaus. Nur Wikipedia zu repetieren, macht ihn so überflüssig wie die Voraussetzung von zu viel Wissen. Was Monatsmagazine wie „Geo“und „P.M.“oder Tv-dokus wie „Universum“und „Terra mater“vormachen, muss in tagesaktueller Übersetzung mit den Zwängen zu Tempo, Verknappung und anderer Visualisierung verknüpft werden. Dazu kommt eine inhaltliche Verbreiterung von Medizin und Natur- bis zu Geistes- und Sozialwissenschaften.
Wer solche Übersetzung regelmäßig vollbringt, wird bei Vertrauen und Glaubwürdigkeit punkten. Diese Währungseinheiten für den gesellschaftlichen Umgang halten keine weitere Abwertung aus.
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