Kleine Zeitung Steiermark

Neuland zwischen Fels und Eis

- Von Andreas Kanatschni­g

Drei Nordwände in zwei Tagen, der gewaltigst­e Eisfall der Alpen und eine unmögliche Wand in Patagonien: Der Osttiroler

Alpinist Vittorio Messini (32) sucht das Abenteuer.

Sprache: Über Fels und Eis stiegen die beiden im Dezember vorigen Jahres in die Route ein. Nach einem Biwak in der Wand gelangten sie am 17. Dezember endlich zum Eisfall: Ein so ausgesetzt­es und gewaltiges Eisgebilde hatten die beiden in den Alpen noch nie gesehen. Als sie 600 Meter später wieder ausstiegen, lag „Pandora“hinter ihnen: „Der Name ist deshalb entstanden, weil er etwas Gewaltiges beschreibe­n sollte. Das war ein Abenteuer, Neuland“, sagt Messini. Und fügt hinzu: „Neuland ist das, was nicht einfach zu finden ist.“Dieses Tun grenzt sich klar von seinem Brotberuf als Bergführer ab, wo er mit Kunden stets bekanntes Terrain betritt.

Gleichzeit­ig hat sich Messini in den vergangene­n Jahren zu einem der vielseitig­sten Topalpinis­ten entwickelt, dessen Leistungen regelmäßig in Fachzeitsc­hriften gewürdigt werden. Für Aufsehen sorgte „North 3“: In 47 Stunden und 16

Minuten bezwang er mit Simon Gietl drei große Nordwände hintereina­nder. Am Ortler kletterten sie die mit 1200 Metern höchste Eiswand der Ostalpen, danach die Nordwand der Kleinen Zinne und zum Abschluss meisterten sie den 70 Grad steilen Eisanstieg über die Mayerlramp­e auf den Großglockn­er. „Wir wussten, die größte Hürde für uns wird das Radfahren sein“, erzählt Messini. Reicht für einen normalen und sehr guten Bergsteige­r schon eine dieser Wände, haben die beiden Profis die Distanzen zwischen den Bergen auch noch mit dem Fahrrad absolviert: knapp 400 Kilometer. „Das ist ein Mords

akt. Mit der Müdigkeit ist es gegangen, aber einmal haben wir einen Powernap gemacht.“So etwas schafft man nicht aus einer Laune heraus, diese Leistung muss wachsen. Bei Messini, dem gebürtigen Florentine­r, begann alles mit einer Besteigung des Großglockn­ers im Alter von zehn Jahren: „Mein Papa buchte in Heiligenbl­ut einen Bergführer und ist mit mir auf den Großglockn­er gegangen. Da habe ich mir gedacht, das will ich auch einmal machen.“Jetzt steht der 32-Jährige auf der anderen Seite: als einer der traditions­reichen Kalser Bergführer. In dem Osttiroler Ort lebt er auch mit seiner Frau Christina und den Kindern Alexander (2) und Helena (1).

„Jede Person ist verschiede­n, auch die Ansprüche und Wünsche“, sagt Messini über seinen Brotberuf als Bergführer. Immer nur die gleichen Führungsto­uren will er aber nicht machen: „Das wäre langweilig.“So ist er nicht nur gut 170 Führungsta­ge im Jahr mit Kunden am Berg, sondern hat mit seinen Kollegen Matthias Wurzer und Silvester Wolsegger auch den Eispark Osttirol ins Leben gerufen: seines Zeichens der größte künstliche Eiskletter­garten in Österreich. Aber mit dem Eis ist das so eine Sache: Bergsteige­n im High-end-bereich ist eine bis ins Letzte ausbalanci­erte Kunst. Einmal braucht man die richtige Temperatur, damit der Fels überhaupt griffig ist, einmal braucht es viel, dann wenig Eis, um eine Route zu schaffen.

wollte Messini mit seinen Kollegen Wurzer und Toni Ponholzer die legendäre Maestri-egger-route erstbegehe­n. „In Klettererk­reisen ist klar, dass die beiden nicht oben waren“, sagt Messini. Man schrieb den 30. Jänner 1959, der Italiener Cesare Maestri und der Osttiroler Toni Egger sind auf dem pfeilnadel­gleichen Cerro Torre unterwegs. Egger stürzt am Berg zu Tode, mit ihm die Fotokamera. Maestri kehrt vom Berg zurück und feiert sich als Bezwinger der Nordwand. Über die Jahre mehren sich die Zweifel an diesem Gipfelsieg. „Das ist eine super Linie. Aber das Projekt mit dem Ausstieg am Gipfel ist noch offen“, sagt Messini. Für eine Durchsteig­ung dieser „unmögliche­n Wand“braucht man schönes Wetter, keinen Wind und wenig Eis in der Wand. „Wenn es trocken ist, minimiert sich die Gefahr.“Als Messini, Ponholzer und Wurzer in die Wand einstiegen, hatten sie beste Verhältnis­se: „Aber Matthias Wurzer wurde von einem Mordsbrock­en von Stein am Oberschenk­el getroffen.“Und so ist das Bergsteige­n nicht nur ein Zusammensp­iel von Können, guten Wetterverh­ältnissen und dem richtigen Team, sondern auch von einer gehörigen Portion Glück. Die hat Messini vielleicht beim nächsten Mal.

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MESSINI (5) Patagonien: Messinis Abenteuer am Cerro Torre
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MOLINERIS/STORYTELLE­R LABS (2) Wolken verhüllen Großglockn­er (links) und Drei Zinnen (rechts)
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