Neuland zwischen Fels und Eis
Drei Nordwände in zwei Tagen, der gewaltigste Eisfall der Alpen und eine unmögliche Wand in Patagonien: Der Osttiroler
Alpinist Vittorio Messini (32) sucht das Abenteuer.
Sprache: Über Fels und Eis stiegen die beiden im Dezember vorigen Jahres in die Route ein. Nach einem Biwak in der Wand gelangten sie am 17. Dezember endlich zum Eisfall: Ein so ausgesetztes und gewaltiges Eisgebilde hatten die beiden in den Alpen noch nie gesehen. Als sie 600 Meter später wieder ausstiegen, lag „Pandora“hinter ihnen: „Der Name ist deshalb entstanden, weil er etwas Gewaltiges beschreiben sollte. Das war ein Abenteuer, Neuland“, sagt Messini. Und fügt hinzu: „Neuland ist das, was nicht einfach zu finden ist.“Dieses Tun grenzt sich klar von seinem Brotberuf als Bergführer ab, wo er mit Kunden stets bekanntes Terrain betritt.
Gleichzeitig hat sich Messini in den vergangenen Jahren zu einem der vielseitigsten Topalpinisten entwickelt, dessen Leistungen regelmäßig in Fachzeitschriften gewürdigt werden. Für Aufsehen sorgte „North 3“: In 47 Stunden und 16
Minuten bezwang er mit Simon Gietl drei große Nordwände hintereinander. Am Ortler kletterten sie die mit 1200 Metern höchste Eiswand der Ostalpen, danach die Nordwand der Kleinen Zinne und zum Abschluss meisterten sie den 70 Grad steilen Eisanstieg über die Mayerlrampe auf den Großglockner. „Wir wussten, die größte Hürde für uns wird das Radfahren sein“, erzählt Messini. Reicht für einen normalen und sehr guten Bergsteiger schon eine dieser Wände, haben die beiden Profis die Distanzen zwischen den Bergen auch noch mit dem Fahrrad absolviert: knapp 400 Kilometer. „Das ist ein Mords
akt. Mit der Müdigkeit ist es gegangen, aber einmal haben wir einen Powernap gemacht.“So etwas schafft man nicht aus einer Laune heraus, diese Leistung muss wachsen. Bei Messini, dem gebürtigen Florentiner, begann alles mit einer Besteigung des Großglockners im Alter von zehn Jahren: „Mein Papa buchte in Heiligenblut einen Bergführer und ist mit mir auf den Großglockner gegangen. Da habe ich mir gedacht, das will ich auch einmal machen.“Jetzt steht der 32-Jährige auf der anderen Seite: als einer der traditionsreichen Kalser Bergführer. In dem Osttiroler Ort lebt er auch mit seiner Frau Christina und den Kindern Alexander (2) und Helena (1).
„Jede Person ist verschieden, auch die Ansprüche und Wünsche“, sagt Messini über seinen Brotberuf als Bergführer. Immer nur die gleichen Führungstouren will er aber nicht machen: „Das wäre langweilig.“So ist er nicht nur gut 170 Führungstage im Jahr mit Kunden am Berg, sondern hat mit seinen Kollegen Matthias Wurzer und Silvester Wolsegger auch den Eispark Osttirol ins Leben gerufen: seines Zeichens der größte künstliche Eisklettergarten in Österreich. Aber mit dem Eis ist das so eine Sache: Bergsteigen im High-end-bereich ist eine bis ins Letzte ausbalancierte Kunst. Einmal braucht man die richtige Temperatur, damit der Fels überhaupt griffig ist, einmal braucht es viel, dann wenig Eis, um eine Route zu schaffen.
wollte Messini mit seinen Kollegen Wurzer und Toni Ponholzer die legendäre Maestri-egger-route erstbegehen. „In Klettererkreisen ist klar, dass die beiden nicht oben waren“, sagt Messini. Man schrieb den 30. Jänner 1959, der Italiener Cesare Maestri und der Osttiroler Toni Egger sind auf dem pfeilnadelgleichen Cerro Torre unterwegs. Egger stürzt am Berg zu Tode, mit ihm die Fotokamera. Maestri kehrt vom Berg zurück und feiert sich als Bezwinger der Nordwand. Über die Jahre mehren sich die Zweifel an diesem Gipfelsieg. „Das ist eine super Linie. Aber das Projekt mit dem Ausstieg am Gipfel ist noch offen“, sagt Messini. Für eine Durchsteigung dieser „unmöglichen Wand“braucht man schönes Wetter, keinen Wind und wenig Eis in der Wand. „Wenn es trocken ist, minimiert sich die Gefahr.“Als Messini, Ponholzer und Wurzer in die Wand einstiegen, hatten sie beste Verhältnisse: „Aber Matthias Wurzer wurde von einem Mordsbrocken von Stein am Oberschenkel getroffen.“Und so ist das Bergsteigen nicht nur ein Zusammenspiel von Können, guten Wetterverhältnissen und dem richtigen Team, sondern auch von einer gehörigen Portion Glück. Die hat Messini vielleicht beim nächsten Mal.