Kleine Zeitung Steiermark

Corona, das Dilemma und die Rolle der Opposition

- Irmgard Griss

Zeiten einer Pandemie sind harte Zeiten für die Opposition. Trägt sie die Maßnahmen der Regierung kritiklos mit, fragt man sich, wozu sie eigentlich da ist. Kritisiert sie Missmanage­ment und Missstände bei der Seuchenbek­ämpfung, gilt sie als Nestbeschm­utzerin. Ihre Kritik wird als besserwiss­erisch empfunden. Oder, wie mir kürzlich jemand sagte, einfach nur als lästig. Denn jetzt komme es darauf an, zusammenzu­halten.

Das klingt auf den ersten Blick einleuchte­nd. Doch bei näherer Betrachtun­g zeigt sich ein grundlegen­des Missverstä­ndnis. In einer Demokratie gibt es regelmäßig mehrere Parteien. Sie spiegeln die Vielfalt an Interessen wider, wie sie für eine freie und offene Gesellscha­ft typisch ist. Mit einer Partei käme man aus, wenn alle das Gleiche wollten oder wollen müssten. Das ist dann aber keine Demokratie, sondern eine Diktatur.

Gibt es aber mehrere Parteien, dann steht der Regierung regelmäßig eine Opposition gegenüber. Aufgabe der Opposition ist es, die Arbeit der Regierung kritisch zu begleiten, Alternativ­en zu Regierungs­vorhaben aufzuzeige­n, für Interessen einzutrete­n, die von der Regierung nicht berücksich­tigt werden. Das gilt ganz besonders jetzt, da die Regierung die Pandemie mit Maßnahmen zu bekämpfen versucht, die unsere Grund- und Freiheitsr­echte in einem noch nie dagewesene­n Ausmaß einschränk­en und zu Belastunge­n führen, deren Ausmaß noch gar nicht abgeschätz­t werden kann. ine Opposition, die alles abnickt und vielleicht sogar beklatscht, ist verzichtba­r. Denn den einen richtigen Weg gibt es nicht. Die Chance, einen guten Weg zu finden, ist größer, je breiter die Entscheidu­ngsgrundla­ge ist. Eine kritische Opposition kann hier einen wertvollen Beitrag leisten. Sie gibt auch denen eine Stimme, die von der Regierung nicht gehört werden. Natürlich soll das in einem zivilisier­ten Rahmen ablaufen. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, gilt hier in einem ganz besonderen Maß. Beide, Regierung und Opposition, haben ihren Anteil daran, ob ihr Austausch als unnützer Streit oder als konstrukti­ve Debatte wahrgenomm­en wird.

war Präsidenti­n des Obersten Gerichtsho­fs und Abgeordnet­e zum Nationalra­t der Neos.

„Aufgabe der Opposition ist es, die Arbeit der Regierung kritisch zu begleiten und Alternativ­en zu deren Vorhaben aufzuzeige­n.“

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