Corona, das Dilemma und die Rolle der Opposition
Zeiten einer Pandemie sind harte Zeiten für die Opposition. Trägt sie die Maßnahmen der Regierung kritiklos mit, fragt man sich, wozu sie eigentlich da ist. Kritisiert sie Missmanagement und Missstände bei der Seuchenbekämpfung, gilt sie als Nestbeschmutzerin. Ihre Kritik wird als besserwisserisch empfunden. Oder, wie mir kürzlich jemand sagte, einfach nur als lästig. Denn jetzt komme es darauf an, zusammenzuhalten.
Das klingt auf den ersten Blick einleuchtend. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich ein grundlegendes Missverständnis. In einer Demokratie gibt es regelmäßig mehrere Parteien. Sie spiegeln die Vielfalt an Interessen wider, wie sie für eine freie und offene Gesellschaft typisch ist. Mit einer Partei käme man aus, wenn alle das Gleiche wollten oder wollen müssten. Das ist dann aber keine Demokratie, sondern eine Diktatur.
Gibt es aber mehrere Parteien, dann steht der Regierung regelmäßig eine Opposition gegenüber. Aufgabe der Opposition ist es, die Arbeit der Regierung kritisch zu begleiten, Alternativen zu Regierungsvorhaben aufzuzeigen, für Interessen einzutreten, die von der Regierung nicht berücksichtigt werden. Das gilt ganz besonders jetzt, da die Regierung die Pandemie mit Maßnahmen zu bekämpfen versucht, die unsere Grund- und Freiheitsrechte in einem noch nie dagewesenen Ausmaß einschränken und zu Belastungen führen, deren Ausmaß noch gar nicht abgeschätzt werden kann. ine Opposition, die alles abnickt und vielleicht sogar beklatscht, ist verzichtbar. Denn den einen richtigen Weg gibt es nicht. Die Chance, einen guten Weg zu finden, ist größer, je breiter die Entscheidungsgrundlage ist. Eine kritische Opposition kann hier einen wertvollen Beitrag leisten. Sie gibt auch denen eine Stimme, die von der Regierung nicht gehört werden. Natürlich soll das in einem zivilisierten Rahmen ablaufen. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, gilt hier in einem ganz besonderen Maß. Beide, Regierung und Opposition, haben ihren Anteil daran, ob ihr Austausch als unnützer Streit oder als konstruktive Debatte wahrgenommen wird.
war Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Abgeordnete zum Nationalrat der Neos.
„Aufgabe der Opposition ist es, die Arbeit der Regierung kritisch zu begleiten und Alternativen zu deren Vorhaben aufzuzeigen.“
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