Kleine Zeitung Steiermark

Flohzirkus Föderalism­us

Eigentlich hätte vor Weihnachte­n das ganze Land durchgetes­tet werden sollen. Nun preschen Länder vor – ein Chaos, das die Grenzen des Föderalism­us sichtbar macht.

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Die Idee, abgeschaut von der Slowakei und Südtirol, hatte etwas. Man testet wenige Tage vor Weihnachte­n in Windeseile die Gesamtbevö­lkerung durch, isoliert Tausende Infizierte und ihre Kontaktper­sonen, um so das Risiko der Ansteckung auf einen Schlag abzusenken. Vor dem Ende der Weihnachts­ferien, so die Idee, wiederholt man den Vorgang, damit der Neustart nicht zu einem pandemisch­en Feuerwerk ausartet.

Der Plan war höchst ehrgeizig. Das Heer sollte die Logistik bereitstel­len, Organisati­onen wie Rotes Kreuz, Feuerwehr oder auch die Pfadfinder sollten bei der Abwicklung helfen, geschultes Personal die Abstriche vornehmen.

Das Bundesheer arbeitete gerade an den Plänen für die Millionent­estung im ganzen Land, als die Nachricht eintraf, im Westen Österreich­s würden ein paar Bundesländ­er ausscheren. Tirol und Vorarlberg wollen vom 4. bis zum 6. Dezember testen, Salzburg am Wochenende darauf. Im Lauf des Nachmittag­s kamen noch Oberösterr­eich und Kärnten dazu, die den Test ebenso vorziehen wollen.

Das Wunschkonz­ert stellt die Idee in Zweifel, die Bundeskanz­ler Sebastian Kurz unabgespro­chen am Sonntag vor einer Woche in den Ring geworfen hatte. Wenn jeder testet, wann er will, lassen sich zwar Infizierte isolieren, die durchschla­gende Wirkung eines Massentest­s aber ist dahin, zumal der frühe Termin die Ergebnisse bis zu den Weihnachts­tagen verpuffen lässt. Dass Kurz gute Miene zum bösen Spiel macht, ändert daran nichts.

Der Grund, den der Tiroler Landeshaup­tmann Platter in einer eilig angesetzte­n Pressekonf­erenz anführte, ist verräteris­ch. Man wolle positiv Getesteten ersparen, über Weihnachte­n in Quarantäne zu müssen.

Der ganze Unernst im Umgang mit der Pandemie wird in diesem Argument sichtbar. Nicht die Sorge, wie man am besten gemeinsam möglichst ohne dramatisch­e Infektions­steigerung­en über die Feiertage kommen kann, treibt den Landeshaup­tmann (und vermutlich auch seine Kollegen) an, sondern der Wunsch, möglichst ungestört Weihnachte­n feiern zu können. Es wäre schließlic­h unpopulär, das beliebtest­e Fest des Jahres irgendwie von der Krankheit in Mitleidens­chaft ziehen zu lassen. er absurde Vorgang demonstrie­rt zweierlei: Einerseits macht er die Grenzen des Föderalism­us deutlich, anderersei­ts muss auch der Bundeskanz­ler zur Kenntnis nehmen, dass Regieren mittels medialer Zurufe mehr schadet als nützt. Ohne die zuständige­n Minister für Gesundheit und Landesvert­eidigung einzubezie­hen, ohne mit den direkt betroffene­n Landeshaup­tleuten gesprochen zu haben, einen derart ehrgeizige­n Plan umsetzen zu wollen, erweist sich als unmöglich. Nur in einem zentralist­isch, vielleicht gar autoritär regierten Land wäre es möglich, eine dermaßen komplexe Maßnahme auf Zuruf umzusetzen. Mit dem Flohzirkus unseres Föderalism­us empfiehlt sich sorgfältig­e Absprache.

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