Wie Corona sich am Land ausbreitet
Scheinsicherheit, mehr Vertrauen und das exponentielle Wachstum: Warum am Land die Infektionskurve steiler ist als in der Stadt.
stieg nicht so schnell.“Das heißt: In Wien oder Graz wirkt sich ein Infektionsanstieg von 0,8 Prozent zuerst scheinbar gravierender aus als am Land – eben weil die absoluten Zahlen höher sind. In der Südoststeiermark hingegen hat die zweite Welle mit zunächst wenigen Neuinfektionen binnen 24 Stunden begonnen (siehe Grafik).
einer „Scheinsicherheit“spricht auch Umweltmediziner Hans-peter Hutter von der Meduni Wien. „So nach dem Motto: Das ist ja weit weg. Das gibt’s eher in der Stadt, nicht bei uns. Es trifft nun häufig Gegenden, wo es lange Zeit nur wenige Fälle gegeben hat.“Beim Wochendurchschnitt der Neuinfektionen, berechnet auf 100.000 Einwohner (das ist die Sieben-tage-inzidenz), gab es im Bezirk Eferding (knapp 33.000 Einwohner) zuletzt rund 1012,7 neue Coronafälle, im Bezirk Völkermarkt (41.500 Einwohner) 1010,5. In Wien liegt die Inzidenz aktuell bei 285,1, in Graz bei 292,4 (Quelle: alle
Ages). In der Steiermark führt aktuell der Bezirk Murau mit 551,9 Neuinfektionen (siehe Grafik), Anfang November war es noch die Südoststeiermark. „Es ist oft so, dass man am Land eher mit anderen Menschen zusammenkommt als in Städten“, erklärt Hutter. Man spricht miteinander, lacht, „und da ist der Ausstoß an Aerosolpartikeln gleich viel höher“. Steiermarkweit gehörte Graz zuletzt konstant zu jenen Bezirken mit der geringsten Sieben-tage-inzidenz (Quelle: alle Ages).
beobachtet auch der weststeirische Virologe Florian Krammer in New York, wo er an einem Impfstoff forscht. In Österreich, bilanziert er, hatte man das Virus nach der glimpflichen ersten Welle zunächst gut unter Kontrolle. Doch „im Sommer sind viele wieder Risiken eingegangen“. Und während man in der Stadt gegenüber Fremden in der Straßenbahn eher Abstand hält, hat man am Land zu Nachbarn und Bekannten mehr Vertrauen. Das Contact Tracing hat in der Südoststeiermark zuletzt kaum noch funktioniert. Wie spielt das mit? „Das ist ein wahnsinniges Problem. Wenn es effizient betrieben wird, müssen Testergebnisse binnen 24 Stunden verfügbar sein“, sagt Krammer. Tatsächlich aber berichteten mehrere als Kontaktperson 1 klassifizierte Südoststeirer, dass sie bis zu drei Wochen auf Test und Absonderungsbescheid warten mussten. Wenn also ein Infizierter mit fünf Personen Kontakt hatte, könnte sich jede infiziert und weitere Personen angesteckt haben. „Wenn man da drei Wochen warten muss, ist es zu spät, die Infektionskette abzubrechen“, resümiert Krammer.
In der Südoststeiermark hieß es, man habe zu wenige Epidemieärzte, um Bescheide rasch auszustellen. Krammer: „Wenn man einen Virusausbruch mit Contact Tracing verhindern will, muss es schnell gehen. Bürokratische Hürden verhindern das.“Der harte Lockdown würde jedenfalls wirken. „Aber wie wir wissen, steigt die Anzahl der Toten immer etwas verspätet.“Auch das zeigt die Statistik des Landes: Zuletzt sind erneut 22 Steirer im Zusammenhang mit Covid-19 verstorben.