Schöne Bescherung
Die Regierung wird nicht müde, den Corona-impfstoff als die große Erlösung zu preisen. Hoffentlich beschert uns die Politik nicht vorher noch einen dritten Lockdown.
In knapp vier Wochen ist Weihnachten, und keiner weiß genau, wie das Familienfest, die Winterferien, Silvester heuer ablaufen werden. Nicht, weil die Regierung planund konzeptlos vor sich hin werkeln würde, sondern weil das Virus mit uns Schlitten fährt. Ein Blick über die Landesgrenzen genügt: Fast ganz Europa ist im Lockdown, die einen mehr, die anderen weniger.
Am Mittwoch will das „virologische Quartett“Lockerungen verkünden, doch die hohen Infektionszahlen könnten der Regierung einen Strich durch die Rechnung machen. Geplant ist, dass die Schulen (vordringlichster Wunsch der Grünen) und der Handel (vordringlichster Wunsch der ÖVP) am 7. Dezember aufsperren, die Ausgangsbeschränkungen sollen auf die Nachtstunden beschränkt bleiben. Doch was ist, wenn die Kurve der Neuinfektionen weiterhin so langsam nach unten geht? Corona grassiert derzeit im Süden Österreichs, die neuen Hotspots sind Kärnten, Osttirol, der Bezirk Tamsweg.
Bundeskanzler Kurz und Gesundheitsminister Anschober versuchen der Bevölkerung mit dem Hinweis auf die baldigen Impfungen („Gamechanger“) Mut einzuflößen, doch das wird kaum reichen, um das Land durch den Winter zu tragen. Der Grat, über den man bei den geplanten Lockerungen geht, ist ein schmaler: Bei einer zu raschen Öffnung stünde den Österreichern vor der ersehnten Impfung noch ein dritter Lockdown ins Haus. Alles Hysterie? Na ja, in diesen Wochen sterben in Österreich täglich im Durchschnitt 100 Menschen an Corona, die Intensivstationen sind ausgelastet, Operationen werden verschoben.
Vor diesem Hintergrund scheint das Gerangel um die Öffnung der alpinen Winterskiorte zwischen Kurz auf der einen Seite, Macron, Merkel, Conte, Söder auf der anderen Seite eine neue Wendung zu nehmen. In Regierungskreisen wird nicht mehr ausgeschlossen, dass die Skipisten zwar aufsperren, die Hotels aber zu bleiben – nicht aus Vernunft, sondern aus wirtschaftlichen Erwägungen. In Tirol, Vorarlberg, Teilen Salzburgs stammen 80 und mehr Prozent der Gäste aus dem Ausland. Wenn Deutsche, Niederländer, Briten, Skandinavier ausblieben, weil bei der Rückkehr in die Heimat die Quarantäne droht, kann man gleich alles zu lassen. Fixkostenzuschuss und Kurzarbeit federn bei den Hotels das Schlimmste ab. och ist die Geschichte nicht geschrieben, ob die Regierung den zweiten Lockdown nicht zu spät verordnet hat und sich angesichts der aktuellen Corona-rekordzahlen den Vorwurf der Fahrlässigkeit gefallen lassen muss. In jedem Fall kann es nicht sein, dass sich die Regierung wie beim ersten Lockdown als Europas Musterschüler feiern lässt, aber jetzt, wenn die Lage ernst ist, den Landeshauptleuten, den Gesundheitsbehörden (wegen der fehlenden Contact Tracer), den Menschen, die den Hausverstand nicht einschalten, die Schuld in die Schuhe geschoben wird.
N