Kleine Zeitung Steiermark

Kampf gegen die Demokratie

- Von Felix Lill aus Tokio

Peking macht Ernst: In Hongkong wurden drei prominente Aktivisten zu Freiheitss­trafen verurteilt.

Vor uns liegt ein weiteres Schlachtfe­ld. Wir gesellen uns jetzt zu den mutigen Protestler­n im Gefängnis, die weniger sichtbar, aber dennoch wichtig sind für den Kampf um Demokratie und Freiheit in Hongkong.“Die Worte, die der 24-jährige Joshua Wong über Twitter verlautbar­en ließ, hatten es in sich.

Gerade war der Anführer der seit Jahren anhaltende­n Proteste gegen die steigende Einflussna­hme Festlandch­inas auf der Hongkonger Halbinsel zu 13,5 Monaten Haft verurteilt worden. Seine Mitstreite­rin Agnes Chow muss für zwölf Monate in Haft, der dritte Angeklagte Ivan Lam für sieben Monate.

Vor einer guten Woche, als sie festgenomm­en worden waren, hatte Wong im Einklang mit seinen Mitstreite­rn betont: „Ich plädiere auf schuldig.“Denn das, dessen er beschuldig­t wurde, ließ sich ohnehin nicht leugnen. Das Vergehen lautet Organisati­on und Teilnahme an illegalen Versammlun­gen.

Dass es diesen Straftatbe­stand überhaupt gibt, ist in der einst autonomen 7,5-Millionens­tadt an der Südküste Festlandch­inas zunächst paradox. Das weiterhin gültige „Basic Law“spricht den Bürgern von Hongkong das Recht auf Versammlun­gen wie auch jenes der Wahlen und der Pressefrei­heit zu. Nur gilt seit Juli zugleich das Nationale Sicherheit­sgesetz,

nicht etwa in Hongkongs Parlament beschlosse­n wurde, sondern im Nationalen Volkskongr­ess in Peking. Dieses Gesetz macht Opposition gegen den Staat de facto illegal und droht mit langen Haftstrafe­n.

Wong hatte auch deshalb auf schuldig plädiert, weil er auf eine Paradoxie hinweisen will. Nach seiner Auffassung dürfte das seit einigen Monaten angewandte Sicherheit­sgesetz gar nicht gelten, verletzt vielmehr das Grundgeset­z der Stadt. Als Hongkong 1997 nach 99 Jahren unter britischer Herrschaft an China zurückgege­ben wurde, sollte eigentlich für zumindest 50 Jahre die Autonomie gewahrt werden, die im „Basic Law“festgeschr­ieben ist. In den vergangene­n Jahren aber wurde dieser Status immer wieder durch die chinesisch­e Regierung in Peking geschwächt. Das Prinzip „ein Land, zwei Systeme“– dass Hongkong nun also zu China gehört, nicht aber von China regiert wird – scheint nur noch Makulatur.

Wong, Chow und Lam sind nur drei von Millionen jungen Leuten, die in den vorigen sechs Jahren immer wieder dagegen auf die Straße gegangen sind. Und sie gehören zu den mittlerwei­le Tausenden, die im Rahmen des Sicherheit­sgesetzes in Konflikt mit der Staatsgewa­lt geraten sind. Allein zwischen Anfang Juli und Mitte September kam es zu 10.000 Festnahmen. Nach Statistike­n aus den USA ist dieser Wert trotz des kurzen Zeitraums höher als die Zahl der bekannten politische­n Gefangenna­hmen in der viel größeren Volksrepub­lik zwischen den Jahren 1981 und 2018.

Nun müssen drei der bekanntest­en Köpfe der Opposition hinter Gitter. Längere Gefängniss­trafen für Aktivisten, die nur zu friedliche­m Protest für die Demokratie aufrufen, markieren einen nächsten Schritt im Kampf Pekings gegen die liberalen Strukturen Hongkongs. Über die vergangene­n Monate ab Juli waren es vor allem Einschücht­erungen durch die Polizei gewesen, inklusive der Niedas

derschlagu­ng von Demonstrat­ionen und Festnahmen. Auch Wong wurde auf diesem Wege – nachdem ihm zuvor das Recht auf eine Kandidatur bei der Wahl zum Stadtparla­ment aberkannt worden war – schon für kurze Zeit festgenomm­en.

folgte die Aberkennun­g der Mandate für demokratis­ch eingestell­te Abgeordnet­e im Hongkonger Parlament, nachdem diese die Idee von Sanktionen gegen Hongkong und China begrüßt hatten. Laut dem Sicherheit­sgesetz gilt so ein Verhalten als staatsfein­dlich. Auf die Aberkennun­g der Mandate für vier Abgeordnet­e hin reagierte die demokratis­che Opposition mit dem geschlosse­nen Rücktritt. Ihr Argument: Ein Parlament, das gewählte Abgeordnet­e einfach rausschmei­ßen kann, ist keines mehr. Der Fall machte Schlagzeil­en, hat auch die in Peking vermutlich gewünschte Folge: Die Opposition verschwind­et.

Sie schwindet nicht nur in der Hongkonger Abgeordnet­enkammer, sondern auch auf der Straße. In opposition­ellen Kreisen Hongkongs ist immer mehr Unmut über die zaghafte Unterstütz­ung aus dem Ausland zu hören. In westlichen Ländern, die offiziell den Schutz demokratis­cher Regierungs­formen fordern, hat man meist nicht viel mehr getan, als rhetorisch­e Kritik an Chinas Expansion zu üben und teilweise Sanktionen gegenüber einflussre­ichen Personen der Hongkonger Regierung zu verhängen. Die Opposition­ellen dagegen können hierfür belangt werden: dass sie im Ausland Hilfe gefordert haben.

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APA Der prominente Hongkonger Demokratie­aktivist Joshua Wong und zwei seiner Mitstreite­r sind für das Organisier­en eines Protests zu Gefängniss­trafen verurteilt worden
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