Die Schwächephase überwinden
Die Verhaltensökonomie hat einen Fachterminus für die bekannte Weisheit „Danach ist man immer gescheiter.“Wir bezeichnen ihn als Rückschaufehler. Viele Menschen neigen zu diesem Fehler und glauben, dass sie es immer schon besser gewusst haben, egal ob es um den Ausgang eines Fußballspiels geht oder um die Pandemie.
Der Aussage, man hätte es schon im Sommer gewusst, dass eine zweite Pandemiewelle mit Lockdown im November bevorsteht, sollte man daher mit Misstrauen begegnen. Natürlich war vielen klar, dass die Infektionszahlen im Herbst und Winter wieder steigen würden, aber dass das so schnell, so früh und so massiv geschehen würde, kam dann doch für die meisten überraschend. Was aber fast alle Experten im Medizinbereich vorhergesagt haben, war, dass die Infektionen im Winter wieder steigen würden. Es war auch klar, dass es da sehr wahrscheinlich noch keine Impfung geben würde bzw. diese erst später so weit ausgerollt sein würde, dass sie signifikante Abhilfe schaffen könnte. Insofern ist klar, wir waren alle – Politik, Experten und Bürger– nicht gut genug vorbereitet. Interessanterweise gilt diese Feststellung für fast alle Länder. Ist eine Pandemie eine so große Herausforderung, dass man es nicht einmal für die zweite Welle schafft, Maßnahmen zur Eindämmung und zu wirtschaftlichen Abfederungsmaßnahmen umfassend vorzubereiten? Es scheint so. er Bundespräsident hat diese Woche einen wohldurchdachten Plan gefordert. Der Erfolg bei der Bekämpfung der Pandemiefolgen in den nächsten Monaten und die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung werden maßgeblich davon abhängen, dass wir einen solchen Plan – oder besser: solche Pläne für die relevanten Bereiche – entwickeln und möglichst rasch umsetzen. Wird das klappen? Ich weiß es nicht, aber wir müssen, um einen Marathonvergleich zu bemühen, die übliche Schwächephase nach Kilometer 30 rasch überwinden und wieder viel mehr Tempo bei der Pandemiebekämpfung und bei der Abfederung der wirtschaftlichen Folgen aufnehmen.
Der Aussage, man hätte schon im Sommer gewusst, dass eine zweite Pandemiewelle kommt, sollte man mit Misstrauen begegnen.“
Dleitet das Institut für Höhere Studien in Wien und ist Professor an der Universität Wien.