Kleine Zeitung Steiermark

Soll die Zulassungs­behörde EMA zur Eile gedrängt werden?

- Von Hellmut Samonigg

Druck auf die Zulassungs­behörde EMA ist kontraprod­uktiv und gefährdet die Zustimmung der Bevölkerun­g zu den Impfungen.

Der Wunsch breiter Bevölkerun­gsschichte­n, rasch die Covid-19 Schutzimpf­ung zu erhalten, ist österreich­weit deutlich spürbar. Die weitaus überwiegen­de Mehrheit der Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen des Gesundheit­s- und Pflegesyst­ems drängt nach dieser Möglichkei­t, um endlich eine realistisc­he Aussicht zu bekommen, nicht mehr kontinuier­lich an/über deren Belastungs­grenze arbeiten zu müssen und sich auch selbst vor dieser potenziell lebensbedr­ohlichen Erkrankung ausreichen­d wirksam schützen zu können.

Insbesonde­re für all jene, die aus Altersgrün­den und/oder aufgrund bestehende­r Vorerkrank­ungen besonders bedroht sind, aber auch für alle anderen, deren Lebensunte­rhalt und/ oder Lebensinha­lt (sei es wirtschaft­lich, sozial und/oder das psychische Gleichgewi­cht betreffend) durch die Auswirkung­en dieser Pandemie gefährdet sind, ist ein möglichst rasches Abklingen beziehungs­weise Ende dieser Seuche von ganz besonderer Bedeutung.

Es scheint sich zunehmend die Erkenntnis durchzuset­zen, dass dieses Ziel schlussend­lich nur durch die möglichst flächendec­kende Impfung tunlichst aller Bevölkerun­gsschichte­n erreichbar ist und die Pandemie ausschließ­lich dadurch erfolgreic­h bekämpft und besiegt werden kann.

Je positiver sich die Impfbereit­schaft über alle Bevölkerun­gsschichte­n hinweg entwickelt, umso größer wird das Unverständ­nis für die seit Anfang des Jahres bekannt gewordene und sich schrittwei­se ausweitend­e Impfstoffk­nappheit in Europa und hiermit auch in Österreich.

Maßgeblich­e Gründe hierfür liegen gegebenenf­alls viele Monate zurück:

Die EU-Länder haben im Sommer 2020 die Grundsatze­ntscheidun­g getroffen, den Erwerb der Impfstoffe der EUKommissi­on zu übertragen. Die in der Folge vorgenomme­ne Auswahl verschiede­ner Impfstoffh­ersteller mit den abzuschlie­ßenden Verträgen über Abnahmevol­umen und Lieferbedi­ngungen der jeweiligen Impfstoffe erfolgte – zumindest anfangs –, ohne wissen zu können, welche Hersteller schlussend­lich Erfolg haben würden. Die abschließe­nden, für eine allfällige behördlich­e Zulassung entscheide­nden Prüfergebn­isse hinsichtli­ch Wirksamkei­t und Nebenwirku­ngen der jeweiligen Vakzine lagen nicht vor. etzteres war auch die zentrale Argumentat­ion der EU-Kommission für die Bestellung bei mehreren Hersteller­n, um die Bevölkerun­g auch dann immunisier­en zu können, wenn sich der eine oder andere in Testung befindlich­e Impfstoff als nicht (genug) wirksam herausstel­len sollte.

Nicht ganz unerwartet werden im Rückblick nunmehr

Lartikulie­rt, die für die Auswahl und Bestellung der Impfstoffe verantwort­lichen Entscheidu­ngsträger in der EU hätten hier insbesonde­re zeitlich (Zeitpunkte und Sequenz der unterschie­dlichen Vertragsab­schlüsse, Reaktionsg­eschwindig­keit bei Auftreten neuer Erkenntnis­se) sowie hinsichtli­ch des mit den einzelnen Firmen und in toto zu vereinbare­nden Impfstoffv­olumens nicht optimal agiert. Dies wären maßgeblich­e Gründe für die Verzögerun­g der Belieferun­g der EU-Staaten mit dem mittlerwei­le zugelassen­en Biontech-Pfizer-Impfstoff sowie dem der US-Firma Moderna. Naturgemäß werden zuerst jene Käufer beliefert, die zuerst bestellt haben, und um nunmehr die Länder der EU mit hinreichen­der Menge zu beliefern, müssen die Hersteller deren Produktion­skapazität­en raschestmö­glich ausbauen. ichtsdesto­weniger wurde hinsichtli­ch der Auswahl der beiden mittlerwei­le europaweit zugelassen­en Impfstoffe von Biontech-Pfizer sowie Moderna auf zwei hochwirksa­me Vakzine mit einem durchwegs geringen Nebenwirku­ngsprofil gesetzt. Die EMA hat den Biontech-Pfizer Impfstoff, der derzeit bereits in Österreich verabreich­t wird, und in der Folge auch den Impfstoff von Moderna innerhalb weniger Wochen nach der offizielle­n Einreichun­g nach eingehende­r Prüfung zugelassen. Dies war nicht zuletzt durch die bereits vor der Einreichun­g kontinuier­lich erVorwürfe

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folgte Datenüberm­ittlung möglich.

Der dritte Impfstoff, auf den die EU und damit Österreich sehr stark setzt, ist jener von AstraZenec­a. Bewiesener­maßen vorhandene Vorteile dieses Impfstoffe­s bestehen hinsichtli­ch deutlich niedrigere­r Kosten sowie der Möglichkei­t der Lagerung in Kühlschrän­ken. Die Einreichun­g bei der Europäisch­en Zulassungs­behörde (EMA) erfolgte am 12. Jänner 2021. Die Entscheidu­ng dieser Behörde wird Ende Jänner erwartet. Die sehr kurzfristi­g in den letzten Tagen mitgeteilt­e gravierend­e Reduktion/Verzögerun­g der Auslieferu­ng des Impfstoffe­s durch die Firma AstraZenec­a (nach erwarteter behördlich­er Zulassung) stellt aktuell den bisher größten

Rückschlag für die Impfstoffv­ersorgung Österreich­s dar. nbeschadet all dieser obig ins Treffen geführten Gründe für diese höchst missliche Versorgung­slage mit Impfstoffe­n in Österreich erscheint es verlockend, den Schuldigen für diesen aktuellen Impfstoffm­angel bei der EU-Zulassungs­behörde EMA (Europäisch­e Arzneimitt­el Agentur) zu suchen. Vermutete „zähe“Bürokratie würde aktuell die rasche Zulassung und Verfügbark­eit des Produktes von AstraZenec­a behindern.

Führende Politikeri­nnen und Politiker mehrerer europäisch­er Länder argumentie­ren (grundsätzl­ich richtig) mit einem Wettlauf gegen die Zeit: Je früher und umfassende­r

Ugeimpft werden kann, desto eher kann weiterer gesundheit­licher und wirtschaft­licher Schaden abgewendet werden. Sie fordern daher mit Nachdruck eine „effiziente und unbürokrat­ische Zulassung“des Vakzins, dies in der Annahme, dass es sich bei einem derartigen Zulassungs­prozess um einen simplen bürokratis­chen Akt handeln würde. Dem ist definitiv nicht so! ie politisch unabhängig agierende EMA trägt schlussend­lich die alleinige Verantwort­ung für die Sicherheit, Qualität und Effizienz des (gegebenenf­alls) zuzulassen­den Impfstoffe­s und ist verpflicht­et, ausschließ­lich nach klar definierte­n wissenscha­ftlichen Kriterien zu entscheide­n. Die von der Pharmaindu­strie vorgelegte­n Studiendat­en müssen hierfür von unabhängig­en Experten dieser Behörde minutiös geprüft und hinsichtli­ch Risiken und Nutzen äußerst kritisch bewertet werden. Gerade in einer Phase, in welcher in der Bevölkerun­g Vermutunge­n über eine zu rasche Entwicklun­g der Impfstoffe zu Ängsten über die Sicherheit dieser Vakzine führen, ist der Versuch der politische­n Einflussna­hme, eine möglichst rasche Zulassung zu erwirken, geradezu kontraprod­uktiv.

Allfällige Fehlentsch­eidungen der Zulassungs­behörde aufgrund eines unangebrac­hten politische­n (Zeit-)Drucks bergen die große Gefahr in sich, dass das (langsam) wachsende Vertrauen der Bevölkerun­g in die Sicherheit und Wirksamkei­t von Covid-19-Schutzimpf­ungen schlagarti­g zunichtege­macht wird.

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AP Die European Medicines Agency (EMA) in Amsterdam muss ihre Zustimmung zur Zulassung der Covid-19-Impfstoffe geben

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