Kleine Zeitung Steiermark

Nicht reif für die Krise

- Von Michael Jungwirth

Als Corona ausbrach, kam die Idee eines Notstandsg­esetzes auf, das mehr Durchgriff­srechte garantiert hätte. Wir leben in einem gut verwaltete­n Land, das für echte Krisen nicht gerüstet ist.

Nur wenige Spitzenbea­mte sind mit dem Innenleben der Republik so vertraut wie Wolfgang Peschorn. Seit 2006 steht er der Finanzprok­uratur vor, die den Staat anwaltlich vertritt. Sie dient auch als Anlaufstel­le für Bürger, die zivilrecht­liche Ansprüche gegen den Bund geltend machen. Die Prokuratur ist also keine Schönwette­rbehörde, sondern wird aktiv, wenn der Staat im Umgang mit den Bürgern versagt. rei Tage vor dem ersten Lockdown, am Freitag, den 13. März, hatten sich die Spitzenbea­mten der Republik zu einer Krisensitz­ung versammelt. Peschorn warf nach Informatio­nen der Kleinen Zeitung eine Idee in den Raum, die er als Innenminis­ter der Bierlein-Beamtenreg­ierung bereits ins Spiel gebracht hatte: dass in Ausnahmeze­iten – etwa bei einem Terrorakt, der Explosion eines AKWs in unserer Nachbarsch­aft, beim Flüchtling­sansturm, bei einer Pandemie – Notstandsb­estimmunge­n in Kraft treten, die das Regieren erleichter­n. Ziel eines solchen „Bundeskris­enbewältig­ungsgesetz­es“wäre nicht die Schwächung oder Entmachtun­g des Parlaments, sondern die Schaffung einer starken, schlagkräf­tigen Zentralreg­ierung mit

Dweitreich­enderen Kompetenze­n als in Normalzeit­en gewesen. Deutschlan­d und andere westliche Länder haben solche Bestimmung­en längst in ihrer Verfassung. ie vorgestrig der Staat organisier­t ist, zeigte die Flüchtling­skrise. Als 2015 Tausende Flüchtling­e in Bussen durch Österreich nach Deutschlan­d geschleust werden sollten, war der Bund handlungsu­nfähig. Die Anmietung von Bussen hätte EU-weit ausgeschri­eben werden müssen. Die Lösung: Die Busse wurden vom Roten Kreuz angemietet. Aktuelles Beispiel: Trotz Corona ist es dem Gesundheit­sministeri­um untersagt, in großem Stil Schutzklei­dung anzukaufen und einzulager­n. Der Bund darf für die nächste Pandemie vorsorgen, aktuell dürfen nur die Länder ankaufen. ass Impfwillig­e über 80, die nicht in Heimen wohnen, von Pontius zu Pilatus geschickt werden, der Zugang zu Antigen-Tests davon abhängig ist, in welchem Bezirk man wohnt, Heime immer noch viele Tote zu beklagen haben, FFP2-Masken erst nach sechs Wochen

WDden Adressaten finden, an den Grenzen nur sporadisch kontrollie­rt wird, liegt nicht nur an Fehlentsch­eidungen der Regierung und türkis-grünen Rivalitäte­n, sondern am beispiello­sen, föderalen Kompetenzd­schungel. Für Personenko­ntrollen an Grenzen ist das Innenminis­terium zuständig, für die Corona-Kontrolle die ausgedünnt­en Bezirkshau­ptmannscha­ften Österreich ist ein bestens verwaltete­s Land, das für Krisenzeit nicht gerüstet ist. eht nicht, können wir nicht, dürfen wir nicht“, lautet, so ein Augenzeuge, die Reaktion der Spitzenbea­mten auf den Peschorn-Vorstoß über ein Pandemiege­setz. Ex-Rechnungsh­ofpräsiden­t Franz Fiedler würde eine Debatte über so einen Passus in der Verfassung begrüßen, wenn Corona vorbei ist. „Es muss in Krisenzeit­en eine Lenkung aus einer Hand geben, nicht aus zehn Händen (Bund und neun Länder)“, so Fiedler, der jedoch skeptisch ist, ob die Länder bereit wären, selbst in eng definierte­n Notzeiten Macht an eine starke Zentralreg­ierung abzugeben.

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Kennt Schwächen des Staates: Peschorn

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