Vom Missbrauch der Drachenhöhle
Der Leobener Arzt Adam von Lebenwaldt ließ sich zwischen 1684 und 1695 fossiles Knochenmaterial aus der Drachenhöhle bei Mixnitz bringen, in dem sich auch menschliche Skelettreste fanden. Er wollte damit die damals praktizierten Heilmethoden untersuchen. Schon allein diese Anekdote ist ein „Damals in der Steiermark“wert – heute wenden wir uns aber einer anderen dunklen Begebenheit rund um die Höhle zu. Denn als die ersten echten Wissenschaftler zu Beginn des Ersten Weltkrieges die Höhle erkundeten, wurde deren Bedeutung schnell deutlich. Von hier aus wurde der Beginn einer neuen Forschungsrichtung betrieben. Hier ist allerdings auch eine Keimzelle einer unsäglichen Ideologie jener Zeit zu verorten.
Der Paläontologe Othenio Abel (1875–1946) ist eng mit der Drachenhöhle bei Mixnitz verbunden. Er begründete 1912 den Forschungszweig der Paläobiologie und schrieb im Laufe seines Lebens mehr als 20 Bü
cher und brachte es auf nahezu 280 Publikationen. Er war Ehrendoktor in Kapstadt und Athen, Mitglied in allen möglichen Gremien und leitete die Grabung in Mixnitz. Er machte den Begriff der „Speläologie“, also der Höhlenforschung bzw. Höhlenkunde, salonfähig.
Großen Anteil am Erfolg der neuen Forschungsrichtung hatten die phosphathaltigen Böden der steirischen Höhlen, die als Düngemittel in der Landwirtschaft gebraucht wurden. In der „Höhlendüngeraktion“wurden zwischen 1917 und 1924 mehr als 23.000 Tonnen phosphathaltiges Material aus den Höhlen
Die Drachenhöhle von Mixnitz begeisterte nicht nur die Wissenschaftler des Landes und förderte die Höhlenforschung. Sie war auch indirekt ein Begriff für den Antisemitismus an den Universitäten.
und – quasi nebenbei – die prähistorischen Funde ausgewertet.
Doch die Drachenhöhle muss seither auch mit einem Makel leben. Denn der Erfolg Abels und der Höhlenforschung beruhte auch auf einer zutiefst antisemitischen Haltung seiner Protagonisten. Diese wurde durch die Zusammenarbeit mit deutschnationalen Kollegen – die nach dem Weltkrieg von internationalen Kongressen ausgeschlossen waren – noch verstärkt. Mixnitz wurde ein Hort für politisch Radikalisierte, wie etwa den Prähistoriker Georg Kyrle (1887–1937), der zwischen 1914 und 1916 auch ein Feldepidemie-Laboratorium in der Ukraine leitete, in dem rassenphysiologische Untersuchungen durchgeführt wurden.
Die Wissenschaftler stießen in Mixnitz auf die Fossilien von Höhlenbären und paläolithische Siedlungsreste, die weltweites Aufsehen erregten. Abel, der das Institut für Paläontologie an der Universität in Wien leitete, gründete nun einen 18köpfigen Geheimbund, um eine „Entjudung“der Universität herbeizuführen. Der geheime Treffpunkt dieser Forscher wurde „Bärenhöhle“genannt. Hier waren auch die bedeutendsten Funde aus der Drachenhöhle ausgestellt. „Dieser Geheimbund verhinderte die Habilitation mehrerer jüdigefördert, scher und sozialdemokratischer Naturwissenschaftler“, schreibt Johannes Mattes von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in einem großen Tagungsband zur „Archäologie in Österreich 1938– 1945“, der vor Kurzem vom Universalmuseum Joanneum und der Historischen Landeskommission für Steiermark unter der Redaktion von Daniel Modl und Karl Peitler herausgegeben wurde. Der Maler Franz Roubal (1889–1967) fertigte eine Rekonstruktion des Mixnitzer Höhlenbären an. Diese wurde an Abels Institut ausgestellt und in Plakettenform als Ehrenzeichen der Höhlenforscher ausgegeben. So wurde der Höhlenbär der Drachenhöhle auch noch in zweifelhafter Manier verewigt.