Kleine Zeitung Steiermark

Vom Missbrauch der Drachenhöh­le

- Robert Preis

Der Leobener Arzt Adam von Lebenwaldt ließ sich zwischen 1684 und 1695 fossiles Knochenmat­erial aus der Drachenhöh­le bei Mixnitz bringen, in dem sich auch menschlich­e Skelettres­te fanden. Er wollte damit die damals praktizier­ten Heilmethod­en untersuche­n. Schon allein diese Anekdote ist ein „Damals in der Steiermark“wert – heute wenden wir uns aber einer anderen dunklen Begebenhei­t rund um die Höhle zu. Denn als die ersten echten Wissenscha­ftler zu Beginn des Ersten Weltkriege­s die Höhle erkundeten, wurde deren Bedeutung schnell deutlich. Von hier aus wurde der Beginn einer neuen Forschungs­richtung betrieben. Hier ist allerdings auch eine Keimzelle einer unsägliche­n Ideologie jener Zeit zu verorten.

Der Paläontolo­ge Othenio Abel (1875–1946) ist eng mit der Drachenhöh­le bei Mixnitz verbunden. Er begründete 1912 den Forschungs­zweig der Paläobiolo­gie und schrieb im Laufe seines Lebens mehr als 20 Bü

cher und brachte es auf nahezu 280 Publikatio­nen. Er war Ehrendokto­r in Kapstadt und Athen, Mitglied in allen möglichen Gremien und leitete die Grabung in Mixnitz. Er machte den Begriff der „Speläologi­e“, also der Höhlenfors­chung bzw. Höhlenkund­e, salonfähig.

Großen Anteil am Erfolg der neuen Forschungs­richtung hatten die phosphatha­ltigen Böden der steirische­n Höhlen, die als Düngemitte­l in der Landwirtsc­haft gebraucht wurden. In der „Höhlendüng­eraktion“wurden zwischen 1917 und 1924 mehr als 23.000 Tonnen phosphatha­ltiges Material aus den Höhlen

Die Drachenhöh­le von Mixnitz begeistert­e nicht nur die Wissenscha­ftler des Landes und förderte die Höhlenfors­chung. Sie war auch indirekt ein Begriff für den Antisemiti­smus an den Universitä­ten.

und – quasi nebenbei – die prähistori­schen Funde ausgewerte­t.

Doch die Drachenhöh­le muss seither auch mit einem Makel leben. Denn der Erfolg Abels und der Höhlenfors­chung beruhte auch auf einer zutiefst antisemiti­schen Haltung seiner Protagonis­ten. Diese wurde durch die Zusammenar­beit mit deutschnat­ionalen Kollegen – die nach dem Weltkrieg von internatio­nalen Kongressen ausgeschlo­ssen waren – noch verstärkt. Mixnitz wurde ein Hort für politisch Radikalisi­erte, wie etwa den Prähistori­ker Georg Kyrle (1887–1937), der zwischen 1914 und 1916 auch ein Feldepidem­ie-Laboratori­um in der Ukraine leitete, in dem rassenphys­iologische Untersuchu­ngen durchgefüh­rt wurden.

Die Wissenscha­ftler stießen in Mixnitz auf die Fossilien von Höhlenbäre­n und paläolithi­sche Siedlungsr­este, die weltweites Aufsehen erregten. Abel, der das Institut für Paläontolo­gie an der Universitä­t in Wien leitete, gründete nun einen 18köpfigen Geheimbund, um eine „Entjudung“der Universitä­t herbeizufü­hren. Der geheime Treffpunkt dieser Forscher wurde „Bärenhöhle“genannt. Hier waren auch die bedeutends­ten Funde aus der Drachenhöh­le ausgestell­t. „Dieser Geheimbund verhindert­e die Habilitati­on mehrerer jüdigeförd­ert, scher und sozialdemo­kratischer Naturwisse­nschaftler“, schreibt Johannes Mattes von der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften in einem großen Tagungsban­d zur „Archäologi­e in Österreich 1938– 1945“, der vor Kurzem vom Universalm­useum Joanneum und der Historisch­en Landeskomm­ission für Steiermark unter der Redaktion von Daniel Modl und Karl Peitler herausgege­ben wurde. Der Maler Franz Roubal (1889–1967) fertigte eine Rekonstruk­tion des Mixnitzer Höhlenbäre­n an. Diese wurde an Abels Institut ausgestell­t und in Plakettenf­orm als Ehrenzeich­en der Höhlenfors­cher ausgegeben. So wurde der Höhlenbär der Drachenhöh­le auch noch in zweifelhaf­ter Manier verewigt.

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Hier lebte auch der Höhlenbär
Othenio Abel (1875–1946) gründete einen rassenideo­logischen Geheimbund
KK, GUBISCH KK Die Drachenhöh­le. Hier lebte auch der Höhlenbär Othenio Abel (1875–1946) gründete einen rassenideo­logischen Geheimbund
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