Kleine Zeitung Steiermark

Der Zielsprung in Kitzbühel scheidet die Geister

- Von Michael Schuen

Immer, wenn man von der Kitzbühele­r Streif spricht, redet man vom Start, dem Sprung ins Nichts bei der Mausefalle. Vom Hausberg samt der folgenden Traverse. Selten spricht man vom Zielsprung. Dabei war dieser Zielsprung in der jüngeren Vergangenh­eit öfter Schauplatz von Tragödien als etwa die Mausefalle, die nur bei Hans Grugger heftig zuschnappt­e. Aber beim Zielsprung, da endeten Karrieren. Andreas Schifferer, zu diesem Zeitpunkt amtierende­r Sieger im Abfahrtswe­ltcup, wurde nach einem heftigen Sturz im Zielraum nie mehr der Alte. Dann kam Scott Macartney, der beim Aufprall den Helm verlor, bewusstlos bis ins Ziel rutschte, der Körper zuckte, man befürchtet­e das Schlimmste. Ebenso wie beim heftigen Aufprall von Daniel Albrecht, der in Rücklage geraten war und nach 80 Metern mit über 140 km/h aufs Eis geprallt und ins Koma gefallen war. Der Schweizer hat sich zum Glück ebenso erholt wie der US-Amerikaner Macartney.

Das jüngste Opfer ist nun der Schweizer Urs Kryenbühl. Die Kritik der Fahrer am Zielsprung kam schnell. Und die Erinnerung. „Der Zielsprung“, sagte Hannes Reichelt, „der hat so Wellenbewe­gungen. Da gab es das Jahr mit Schifferer, dann passten alle auf. Damals gab es ja sogar Weitenmess­ungen, das hat man dann gelassen. Dann wurde der Sprung Jahr für Jahr größer, bis es Macartney und Albrecht erwischte. Im Anschluss war es ein paar Jahre ruhig. Seither wurde er wieder immer größer, bis heuer.“as Problem, beteuern alle, liegt aber weniger am Sprung selbst, die letzte

DDer letzte Sprung auf der Streif wird zum großen Kriterium. Warum die KitzVerant­wortlichen wie die Läufer an ihre Grenzen stoßen. Und was für heute geändert wurde.

Welle ins Ziel hinein ist eine natürliche. Der Sprung wird extra gebaut, um diese Welle zu entschärfe­n. Denn würden die Fahrer erst bei der Welle abheben, würden sie noch weiter und mit noch mehr Luftstand den Hang „entlangfli­egen“. Das betont auch Hannes Trinkl, der noch am Samstag versuchte, alles neu „zu bauen“. Das Problem an sich liegt aber gar nicht am Sprung, sondern in der Passage davor. Die Fahrer kamen am Freitag so schnell wie nie zum Zielsprung. „Wir haben in den letzten Jahren den Sprung von der Hausbergka­nte entschärft, die Kompressio­n danach kleiner gemacht, die Querfahrt geglättet. Aber das heißt, dass die Fahrer immer mehr Geschwindi­gkeit aufnehmen. Und wenn es dann nassen, schnellen Schnee gibt, dann sind sie schneller, als wir selbst je geglaubt hatten“, sagte er. us dem Wunsch, kritische Stellen, an denen es in den Jahren zuvor Verletzte gab, sicherer zu machen, wurde nun das Ergebnis, dass man diese Stellen so gut passiert, dass die Passage danach zur Hürde wird. „Aber wenn man gut springt, dann ist auch dieser Sprung kein Problem“, widersprac­h Matthias Mayer und führte an, dass das Top-Trio keine Schwierigk­eiten hatte,

Aobwohl auch der Sieger vom Freitag, Beat Feuz, oder Dominik Paris weit über 70 Meter „flogen“. Aber klar ist: „Fehler darf man da keinen machen.“Und bei knapp 150 km/h Fehler auszuschli­eßen, ist schwierig. Denn: Rennfahrer sind darauf gedrillt, ans (und über das Limit) zu gehen. „Sie fahren da auf dem letzten Zacken hin, da zieht keiner zurück, auch heute wird das keiner tun“, sagte ÖSVHerrenc­heftrainer Andreas Puelacher im APA-Gespräch. „Die Athleten sind so gut geworden, das Material ist so gut geworden, die Abfahrten werden uns fast zu schmal, wir können da die Geschwindi­gkeit nicht mehr reduzieren“, erklärte Puelacher. Wie wahr: Wer heute bei der TV-Übertragun­g aufpasst, wird sehen, wie oft die Läufer schon sehr knapp am Netz sind. Das geschieht, um Kurven einbauen zu können. „Vor dem Hausberg fahren wir ja schon fast Slalom“, meinte Feuz. uch für die auf heute verschoben­e Abfahrt rechnet kaum jemand mit Besserung. „Sie werden nicht viel langsamer hinkommen“, prophezeit Puelacher. Um sich an den neuen Sprung gewöhnen zu können, dürfen die Fahrer heute ausnahmswe­ise schon bei der Besichtigu­ng im „Renntempo“testen. So will man jedem die Möglichkei­t geben, sich an die neuen Gegebenhei­ten zu gewöhnen. Klar ist, sagt auch Feuz: „Ich bin kein Gegner des Sprunges. Man braucht solche Elemente. Aber es reicht doch, wenn wir 40 Meter springen, nicht 80.“Darauf arbeiten alle hin – die nächste (Zwischen-) Lösung kann es aber erst kommendes Jahr geben, wenn man die Fahrer am Ende der Traverse „bergauf“fahren lassen will, um das Tempo zu drosseln.

Kleines Detail am Rande: Es scheint nach wie vor auch für die Zuschauer der größte Reiz zu sein, Fahrer fallen zu sehen (auch wenn sich, hoffentlic­h, keiner Verletzung­en wünscht). Aber am Tag nach den Stürzen war die Streif auch in Deutschlan­d großes Thema. Selbst die Meldung der Absage war auf bild.de die zweitbeste Geschichte des Tages, noch vor allen Fußballmel­dungen ...

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GEPA, APA (4) Ein Flug über 80 Meter, bei fast 150 km/h. Kitzbühel führt alle an die Grenzen – und darüber
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 ??  ?? Schrecklic­he Bilder vom Zielsprung; Scott Macartney,
Urs Kryenbühl und Daniel Albrecht machten nur kleine Fehler – die wurden bitter bestraft
Schrecklic­he Bilder vom Zielsprung; Scott Macartney, Urs Kryenbühl und Daniel Albrecht machten nur kleine Fehler – die wurden bitter bestraft
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