Kleine Zeitung Steiermark

Lachen über das Grauen

Franzobel gelingt eine schwierige Gratwander­ung.

- Bernd Melichar

Große Erzähllust, die mitunter zu leidenscha­ftlicher Erzählwut anwächst, durchdring­t diesen „Roman nach wahren Begebenhei­ten“von Franzobel. Die Wanderung zwischen Fakten und Fiktion erfolgt auf einem schmalen Grat – doch der Autor stürzt nicht ab. Ein besonders gelungener Kniff ist die Franzobel’sche Erzählfigu­r, die mit aktuellem Vokabular und Wissen Vorgänge schildert, die 500 Jahre zurücklieg­en. Dass solcherart teilweise schriller Humor in die ganz und gar unwitzigen historisch­en Ereignisse eindringt, lockert den Stoff auf, bereitet großes Lesevergnü­gen und macht die Schrecknis­se erträglich­er. Denn es ist harter, brutaler, blutiger Stoff, den Franzobel da in Händen hält. Die Gräueltate­n der europäisch­en Eroberer füllen Geschichts­bücher, dass sie jetzt im Kleid der Literatur neu und ambitionie­rt erzählt werden, erweitert den Blickwinke­l enorm. ie Eroberung Amerikas“zeigt auch, dass Geschichte nie ein abgeschlos­sener Vorgang ist, sondern viele Jahrhunder­te nachhallt. Fazit: Dieses Buch kann und bietet viel: einen Spracharti­sten, der sich jedoch nie verrenkt oder übernimmt. Geschichts­unterricht durch einen gefinkelte­n und unerschroc­kenen Geschichte­nerzähler. Man lacht, staunt, ist schockiert, lernt. Was will man mehr?

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Die Eroberung Amerikas. Zsolnay-Verlag, 544 Seiten, 26,80 Euro.
Franzobel. Die Eroberung Amerikas. Zsolnay-Verlag, 544 Seiten, 26,80 Euro.

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