Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

- Rudolf Likar

ist Vorstand der Abteilung für Anästhesio­logie, Intensivme­dizin, interdiszi­plinäre Schmerzthe­rapie, Palliativm­edizin am Landesklin­ikum Klagenfurt und Wolfsberg. Er ist Landeskoor­dinator im intensivme­dizinische­n Bereich. Likar war und ist außerdem Präsident von mehreren medizinisc­hen Fachgesell­schaften.

Man muss den Leuten auch sagen: Bis zu einem Zeitpunkt gibt es den Lockdown. Die Ungewisshe­it macht die Leute narrisch. Die Menschen müssen aber auch ihre Eigenveran­twortung besser wahrnehmen, es gibt Gebiete etwa in Kärnten, da kann ich die Infizierte­n-Zahlen nicht glauben. Viele treffen sich ja im Geheimen. Ich plädiere für kontrollie­rtes Aufmachen und gute Kontrollme­chanismen.

Aber die Kontrollwe­rkzeuge greifen nicht: Bei hohen Infektions­zahlen gerät etwa das Contact Tracing an seine Grenzen, in vielen Regionen ist es kollabiert.

Das Contact Tracing muss tatsächlic­h besser funktionie­ren als bisher. Das Thema hat die Politik selbst in der Hand. Genauso muss man Tests für alle möglich machen. Nur so kann man die Situation analysiere­n und kontrollie­ren. Coronatest­s gehören jetzt wie das Klopapier zum Haushalt.

Und die Impfstrate­gie passt aus Ihrer Sicht? Es heißt, obwohl Astra-Zeneca weniger liefern kann, will man so weitermach­en.

Wie soll sich das im ersten Quartal alles ausgehen, etwa dass man viel mehr Altersgrup­pen bis zu den 65-Jährigen impfen kann?

Die Vorbereitu­ng für die CoronaImpf­ung wird kritisiert. Welche Versäumnis­se sehen Sie?

Wir haben eine medizinisc­he Dreiklasse­ngesellsch­aft. Die Normalvers­icherten, die Privatvers­icherten und die Gruppe, die weiß, an wenn sie sich wenden muss, damit sie eine Leistung bekommt. Bei der Impfung tun wir plötzlich so, als ob das alles nie da gewesen wäre. Man braucht sich nur die Diskussion­en um jene Lokalpolit­iker oder Promis anschauen, die früher zu einer Impfung – wie auch immer – gekommen sind. Das ist Österreich, das spiegelt die Gesellscha­ft wider. Es ist scheinheil­ig, jetzt so zu tun, als ob das alles erst bei der Impfung zum Vorschein käme.

Dass FFP2-Masken effektiv sein können, war schon lange klar. Dass die Pandemie nicht mit 2020 aufhört, auch. Das wusste man, also wäre es für die Politik logisch gewesen, die Produktion zu verstärken, damit wir alle Heime schnell und gut beliefern können. Das ist in mehreren Heimen in Österreich, die ich kenne, nicht der Fall gewesen. Die Politik entwertet sich durch solche Schnitzer unnötig selbst.

Ist die Impfstrate­gie, zuerst die alten Menschen zu impfen, die einzige aus Ihrer Sicht?

Einerseits ist es wichtig, die Mortalität in den Altersheim­en zu senken. Man hätte aber gleichzeit­ig die gleichen Altersgrup­pen, die nicht im Pflegeheim leben, ebenso impfen müssen. Diese Menschen haben auch Kontakte. Das Ganze ist eine gesellscha­ftliche Ungleichbe­handlung, weil man nicht ausreichen­d Impfstoff organisier­t hat. Das war zu wenig durchdacht.

Wer bräuchte die Impfung genauso dringend?

Wenn ich auf unsere Intensivst­ationen in Klagenfurt schaue, dann liegen dort vornehmlic­h 60- bis 80-Jährige, die an Covid19 erkrankt sind. Diese Altersgrup­pen wären genauso schützensw­ert, die bräuchten genauso schnell Impfungen. Und was ist mit dem Gesundheit­spersonal? Die Politik hat geglaubt, die Impfung sei die Lösung. Das stimmt ja auch. Aber man hat verabsäumt, dass wesentlich mehr dazugehört.

Newspapers in German

Newspapers from Austria