Kleine Zeitung Steiermark

Respekt sinkt

- Nina Koren

Minus 51 Grad hatte es in Jakutsk: Trotzdem gingen Tausende auf die Straße, um gegen Wladimir Putin zu demonstrie­ren. Wladiwosto­k, Perm, Tomsk, Krasnojars­k: Der Kreml mag die Teilnehmer­zahlen heruntersp­ielen, doch die Bilder zeigten es: Proteststi­mmung gibt es nicht mehr nur in liberalere­n Städten wie Moskau oder St. Petersburg. Auch im Hinterland ist der Unmut so groß, dass einfache Bürger das Risiko auf sich nehmen, niedergepr­ügelt und eingesperr­t zu werden.

Dass die Staatsmach­t nicht gewillt ist, zuzuhören, hat sie mit Knüppeln klargemach­t. Allein in Moskau wurden 38 Demonstran­ten mit Kopfverlet­zungen oder Knochenbrü­chen ärztlich behandelt. Berichte über die Proteste werden eingeschrä­nkt. utin hat sich im Sommer mit einem umstritten­en Referendum seinen Verbleib an der Macht schriftlic­h absichern lassen. Doch was nützt ihm all das, wenn junge Menschen in den Schulen beginnen, sein Bild an der Wand abzunehmen; wenn Informatio­nen über einen geheimen Palast ans Nawalny-Team gespielt werden – und der Kreml-Chef dann öffentlich beteuern muss, er habe damit nichts zu tun; wenn ein Polizist ein Video veröffentl­icht, in dem er Solidaritä­t mit Nawalny und politische­n Gefangenen bekundet – weil er sich sonst seinen Kindern und deren Zukunft gegenüber schuldig mache? Wenn Nawalny die Geheimdien­stler und ihre Pannen vorführt und die Protestier­enden die Sicherheit­skräfte vor laufenden Handykamer­as einfach mit Schneebäll­en bewerfen?

Er kann sie alle einsperren. Aber der Respekt vor dem System Putin ist am Schmelzen.

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