Respekt sinkt
Minus 51 Grad hatte es in Jakutsk: Trotzdem gingen Tausende auf die Straße, um gegen Wladimir Putin zu demonstrieren. Wladiwostok, Perm, Tomsk, Krasnojarsk: Der Kreml mag die Teilnehmerzahlen herunterspielen, doch die Bilder zeigten es: Proteststimmung gibt es nicht mehr nur in liberaleren Städten wie Moskau oder St. Petersburg. Auch im Hinterland ist der Unmut so groß, dass einfache Bürger das Risiko auf sich nehmen, niedergeprügelt und eingesperrt zu werden.
Dass die Staatsmacht nicht gewillt ist, zuzuhören, hat sie mit Knüppeln klargemacht. Allein in Moskau wurden 38 Demonstranten mit Kopfverletzungen oder Knochenbrüchen ärztlich behandelt. Berichte über die Proteste werden eingeschränkt. utin hat sich im Sommer mit einem umstrittenen Referendum seinen Verbleib an der Macht schriftlich absichern lassen. Doch was nützt ihm all das, wenn junge Menschen in den Schulen beginnen, sein Bild an der Wand abzunehmen; wenn Informationen über einen geheimen Palast ans Nawalny-Team gespielt werden – und der Kreml-Chef dann öffentlich beteuern muss, er habe damit nichts zu tun; wenn ein Polizist ein Video veröffentlicht, in dem er Solidarität mit Nawalny und politischen Gefangenen bekundet – weil er sich sonst seinen Kindern und deren Zukunft gegenüber schuldig mache? Wenn Nawalny die Geheimdienstler und ihre Pannen vorführt und die Protestierenden die Sicherheitskräfte vor laufenden Handykameras einfach mit Schneebällen bewerfen?
Er kann sie alle einsperren. Aber der Respekt vor dem System Putin ist am Schmelzen.
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