Die kurzfristige Rettung
Die Ski-WM in Cortina d’Ampezzo war für den Sport das Optimum in der gegenwärtigen Situation. Aber das dicke Ende mag erst noch kommen – im Sommer danach.
Ein Blick auf den Medaillenspiegel beweist es: Österreich ist mit fünf Goldmedaillen nicht mehr nur irgendwer, sondern die Nummer eins der (Ski-)Welt. Aber das ist an sich nicht das Entscheidende. Denn die Ski-Weltmeisterschaft in Cortina d’Ampezzo war weit mehr als Balsam auf die in jüngerer Vergangenheit von den SchweizerInnen oft vorgeführte Ski-Seele. Diese WM war nicht weniger als Notwendigkeit, damit der Sport (und sein tragender Verband) überleben kann.
Cortina d’Ampezzo war (nach einem Wetter-Fehlstart) das, was man sich erhofft hatte: eine perfekte WM unter Corona-Bedingungen. Eine WM, die grandiose Bilder in die Wohnzimmer der Welt lieferte und damit auch Sponsoren transportierte. Und eine WM, die nicht zuletzt dank 22.500 Coronatests (von denen ganze 17, nicht innerhalb der Blase der AthletInnen, positiv waren) einmal mehr einen Weg vorgezeigt hat, wie der Sport trotz Lockdown und Beschränkungen liefern kann.
Rein sportlich hoffte man vor der WM auf den einen Superstar. Geworden sind es gleich
Michael Schuen mehrere. Denn acht AthletInnen sorgten zusammen für 18 Medaillen, angeführt von den DoppelweltmeisterInnen Katharina Liensberger, Lara GutBehrami und Vincent Kriechmayr. Das wiederum beweist eines: Das wahre Abenteuer ist auch im Skisport im Kopf. Diejenigen, die es schaffen, die Welle der Begeisterung zu surfen, werden von ihr von Erfolg zu Erfolg getragen.
Ironischerweise tappten diesmal oft die größten FavoritInnen in die Falle der Abwärtsspirale; mit ein Grund, warum Gastgeber Italien die Erwartungen nicht annähernd erfüllen konnte. Federica Brignone, Gesamtweltcupsiegerin, schimpfte schon vor der WM – und wurde abgeworfen. Dominik Paris, große Goldhoffnung, echauffierte sich über die Abfahrt – und wurde abgeworfen. Petra Vlhova lamentierte schon vor dem Slalom über die Dauer der WM, ihre fehlende Energie und die Konzentration auf den Gesamtweltcup – und fährt zwar mit zwei Medaillen nach Hause, keine davon aber in Gold. Der gute „Spirit“, den diesmal just die ÖsterreicherInnen beschworen, als Grundlage des Erfolges.
Und doch: Zurücklehnen wird man sich nicht dürfen. ExWeltcupläufer Kilian Albrecht, Manager von Mikaela Shiffrin und anderen Größen, warnt zu Recht, dass die WM zwar den Winter gerettet habe, nicht aber die Zukunft. Denn der Skisport ist traditionell an Branchen gebunden, die in Zeiten der Pandemie besonders gelitten haben: Ski- und Bekleidungsindustrie, Tourismus, Brauereien etc., etc. as heißt: Auch wenn der strahlende Sonnenschein über Cortina Sinnbild für die gelungene Organisation und eine WM mit viel Potenzial für Erinnerung sein mag, die dunklen Wolken werden aufziehen. Dann, wenn es um die neuen Verträge und deren Dotation geht. Der Skisport und Österreichs Skiseele sind zwar für diesen Winter gerettet – aus dem Schneider ist der Patient aber mit Sicherheit nicht.
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