Kleine Zeitung Steiermark

Im Fall Mollath kommt nun die CSU unter Druck

- Von Ingo Hasewend

Ein neues Buch enthüllt die Machenscha­ften der Politik in einem berühmten Justizskan­dal. Jurist Schlöttere­r: „War ein Staatsverb­rechen.“

Der Fall Mollath ist einer der seltsamste­n Vorgänge der deutschen Justizgesc­hichte. Was als Verfahren wegen häuslicher Gewalt 2001 begann, führte nach mehr als zwölf Jahren zu einem Justizskan­dal, der die Politik in Bayern und damit die CSU als jahrzehnte­lang dominieren­de Partei in ein schlechtes Licht rückt.

Denn der heute 64-Jährige Nürnberger Autowerkst­attbesitze­r Gustl Mollath kam für mehr als sieben Jahre in die geschlosse­ne Psychiatri­e in Bayreuth, weil er im Rosenkrieg mit seiner damaligen Frau auch Verschiebu­ngen von Schwarzgel­dern bei der Hypo-Vereinsban­k veröffentl­ichte, für die sie als Bankerin arbeitete. Während man ihre Vorwürfe ernst nahm, wurden seine Anschuldig­ungen als wirr eingestuft und von der Justiz nicht weiter verfolgt. Erst als 2012 ein als vertraulic­h eingestuft­er neun Jahre alter Bericht der Bank, die damals noch mit dem Freistaat verbunden war, in die Öffentlich­keit gelangt, kommt das Verfahren wieder in Gang und beschäftig­t plötzlich auch die Politik. Denn darin heißt es: „Alle nachprüfba­ren Behauptung­en haben sich als zutreffend herausgest­ellt.“Mollath wird schließlic­h am 14. August 2014 freigespro­chen.

Wilhelm Schlöttere­r spricht sogar von einem „Staatsverb­rechen“. Der Jurist hat gegen massiven Widerstand den Prozess für Mollath wieder in Gang gebracht. Der 81-Jährige ist für die CSU ein rotes Tuch, gilt schon seit Jahrzehnte­n als Intimfeind einiger Spitzenpol­itiker in Bayern. Als Finanzbeam­ter hatte er 1993 die „Amigo-Affäre“ins Rollen gebracht, die zum Sturz von Ministerpr­äsident Max Streibl führte. Schlöttere­r war während der Amtszeit von Franz Josef Strauß Leiter der Steuerfahn­dung und wurde wegen seiner Nachforsch­ungen im begünstigt­en Freundeskr­eis des langjährig­en Ministerpr­äsidenten strafverse­tzt.

Über dieses „Amigo-System“von Strauß hat Schlöttere­r das Buch „Macht und Missbrauch“geschriebe­n, das 2010 zum Bestseller wurde und die CSU schwer unter Druck brachte. Er beschreibt darin ein etablierte­s System aus Politik und Verwaltung mit Korruption und Begünstigu­ngen von Freunden sowie dem gezielten Befeuern von Gegnern in Bayern. Während seiner 30 Jahre im Ministeriu­m hatte Schlöttere­r mit internen Beschwerde­n und Petitionen an den Landtag in München immer wieder die Politik vor sich hergetrieb­en. Es hagelte Strafund Disziplina­rverfahren. Alle wurden eingestell­t.

Dass dieses System der Einflussna­hme noch heute besteht und auch im Fall Mollath zu erkennen ist, beschreibt Schlöttere­r in dem morgen erscheinen­den Buch „Der Fall Mollath“, in

der Fall nicht nur detaillier­t nachgezeic­hnet wird, sondern auch schwere Vorwürfe gegen zum Teil noch heute aktive Politiker erhoben werden. Mollath hatte sich gezielt an Schlöttere­r gewandt, weil er keinen Ausweg in der Psychiatri­e mehr sah.

„Ich bin kein heuriger Hase“, sagt Schlöttere­r lachend in dem einzigen Österreich-Interview, das er gemeinsam mit Mollath im Vorfeld der Buchveröff­entlichung gegeben hat, auf die Frage, ob er durch die Veröffentl­ichung neue Anfeindung­en durch die CSU oder Regierung in München fürchte. Er habe bereits zwei „sehr ketzerisch­e Bücher geschriebe­n, die sich gegen die Staatsspit­ze hier in Bayern richten, und keine wirklichen Anfeindung­en erfahren“. Es habe 2010 und 2013 nicht einmal ein CSU-Dementi gegeben.

Gustl Mollath jedenfalls will mit seinem Fall dokumentie­ren, wie schnell man fälschlich in die Mühlen der Justiz gerät und dann nicht mehr hinauskomm­t, gerade wenn die Politik ins Spiel kommt. „Die schnellleb­ige

Zeit, die wir erleben und die es einem Einzelnen kaum noch möglich macht, alle Informatio­nen zu verarbeite­n, schützt Leute und Systeme, die unter Umständen missbräuch­lich unterwegs sind“, sagt Mollath und Schlöttere­r ergänzt: „Dieser Umstand der Schnellleb­igkeit hat mich als Verfasser des Buches auch veranlasst, die Dokumentat­ion des Falles niederzusc­hreiben, damit das nicht einfach verloren geht und die Verantwort­lichen vollkommen unbeschade­t daraus hervorgehe­n.“Es habe schlicht festgehalt­en werde müssen, welche Verbrechen geschehen seien.

„Das war kein Justizirrt­um, wie man es von der politische­n Seite dargestell­t hat, sondern ein vorsätzlic­hes Verbrechen“, sagt Schlöttere­r und fügt nachdrückl­ich hinzu: „Und zwar ein politisch gedecktes und betriebene­s.“Schlöttere­rs Vorwurf richte sich „ausdrückli­ch“auch an die „Staatsspit­ze Bayerns“.

Politische Konsequenz­en aus dem Fall wurden aus Sicht Schlöttere­rs nicht wirklich gedem zogen. „Es wurde zum ersten Mal in der Bundesrepu­blik Gewalt angewendet vonseiten des Staates, um einen Mann zum Schweigen zu bringen, der Schwarzgel­dverschieb­ungen per Strafanzei­ge bei der Staatsanwa­ltschaft angezeigt hat“, sagt Schlöttere­r. Es habe dafür Rückendeck­ung von der Regierungs­spitze gegeben. Vergleichb­ar sei dieses „Staatsverb­rechen“aus Sicht des Juristen nur mit dem Fall des französisc­hen Offiziers Alfred Dreyfus und seiner ungerechtf­ertigten Verurteilu­ng wegen Landesverr­ats im Jahr 1894.

Wie genau diese Einflussna­hme abgelaufen ist und welche politische­n Hintergrün­de dazu führten, dokumentie­rt das Buch auf mehr als 220 Seiten, auf denen auch die Verantwort­lichkeiten der einzelnen Protagonis­ten in diesem Fall aufgezeigt werden. Für Mollath ist der Fall mit diesem Buch aber nicht abgeschlos­sen. „Über die Zeit und die Verhältnis­se in der Psychiatri­e müsste ich eigentlich ein eigenes Buch schreiben.“

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AP A (2), MVG Gustl Mollaths Entlassung aus der psychiatri­schen Klinik in Bayreuth am 6. August 2013 wurde zu einem Medienerei­gnis

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