Kleine Zeitung Steiermark

Entscheidu­ng über Asyl binnen 72 Stunden

- Von Christina Traar

Seit sechs Monaten werden Schnellver­fahren geführt, aus Testbetrie­b soll Praxis werden. Doch das neue Vorgehen zeigt alte Probleme auf.

Ein 33-jähriger Marokkaner stellt im Juli 2020 einen Asylantrag. In seiner Einvernahm­e gibt er an, aufgrund der wirtschaft­lich schlechten Lage in seinem Land in Österreich leben zu wollen. 62 Stunden später hält er einen negativen Asylbesche­id in Händen.

Seit Sommer letzten Jahres setzt das Innenminis­terium auf solche Schnellver­fahren. Anträge jener, die aus einem laut einer definierte­n Liste von als sicher eingestuft­en Ländern kommen und keine persönlich­e Verfolgung glaubhaft machen, können binnen 72 Stunden entschiede­n werden. Möglich ist das, weil die Personen schon bei ihrer Erstbefrag­ung in Polizeista­tion oder Anhaltezen­trum zu Identität, Fluchtgrün­den und Reiseroute befragt werden. „Diese Verfahren geben uns die Möglichkei­t, rasch zwischen Schutz- und Nichtschut­zbedürftig­en zu unterschei­den und schnell negative Bescheide auszustell­en“, sagt ÖVP-Innenminis­ter

Karl Nehammer. 411 dieser

Verfahren wurden bisher geführt, nun soll aus dem Testbetrie­b gängige Praxis werden.

„Normale“Asylverfah­ren dauern aktuell dreieinhal­b Monate im Schnitt. Die Möglichkei­t von „Fast Track“(Schnellspu­r)-Verfahren gibt es dabei schon jetzt. Auch sie sind für Antragstel­ler aus sicheren Herkunftsl­ändern vorgesehen. Wer zudem in der europäisch­en Asyl-Datenbank „Eurodac“aufscheint, weil er bereits einen Antrag in einem anderen Land gestellt hat, wird meist eben

Nehammer: „Schnell negative Bescheide“ falls im „Fast Track“behandelt. 22 Tage dauert ein solches Verfahren im Durchschni­tt. Nun soll es noch schneller gehen.

„Gegen Schnellver­fahren ist grundsätzl­ich nichts einzuwende­n, wenn die Qualität gewahrt bleibt“, sagt Asylanwalt Wilfried Embacher. „Es muss sichergest­ellt werden, dass der Fall eines Betroffene­n, der am Ende doch Bleiberech­t erhalten könnte, aus dem Schnellver­fahren genommen und gewissenha­ft geprüft wird.“Auch Schnellbes­cheide können beeinspruc­ht werden, 27 davon hat das Bundesverw­altungsger­icht in den letzten sechs Monaten in zweiter Instanz bestätigt.

Embacher: „Es braucht hier Qualität“

Dass die mit Abstand größte Gruppe der Antragstel­ler (56 Prozent) aus Marokko kommt, offenbart jedoch ein altbekannt­es Problem – ein negativer Asylbesche­id allein bedeutet nicht, dass der Betroffene das Land verlassen muss. Marokko gilt seit Jahren als sicheres Herkunftsl­and, Asylanträg­e sind beinahe aussichtsl­os. Reist der genannte 33-jährige Marokkaner aber nicht freiwillig aus, hat Österreich kaum Möglichkei­ten, ihn außer Landes zu bringen.

Denn aktuell gibt es kein Rückführab­kommen mit dem nordafrika­nischen Land, das abtrünnig gewordene Bürger nur ungern zurücknimm­t und dementspre­chend selten dafür nötige Rückreisep­apiere ausstellt. Das bestätigt auch Anwalt Embacher: „Schnelle Verfahren klingen zwar gut. Aber wenn die Außerlande­sbringunge­n nicht funktionie­ren, wird sich wenig ändern.“

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