Ist das Budget
Die Schulden der Stadt steigen, die Politik investiert trotz Coronakrise kräftig weiter. Wie lange kann das gut gehen? Eine Analyse mit Finanzwissenschaftler Richard Sturn.
In der Coronakrise sitzt das Geld locker. 150 Millionen Euro werden heute im Gemeinderat für den Umbau der Holding-Remise beschlossen, seit Tagen wird in ganz Österreich über eine UBahn diskutiert, die mindestens 3,3 Milliarden Euro kosten würde. Trotz Krise will die Stadt also weiter kräftig investieren. Dabei waren die städtischen Schulden auch vor Corona schon hoch.
Und trotzdem: Die milliardenschweren Verbindlichkeiten bereiten vielen Menschen erstaunlich wenig Sorgen. Wie lange kann das gut gehen?
An den absoluten Zahlen kann die Sorglosigkeit nicht liegen, denn die wirken erschreckend. Auf 1,7 Milliarden Euro klettern die Schulden bis Ende 2021. Und das bei einem Budgetvolumen von 1,3 Milliarden.
„Ich verstehe, wenn man sich bei solchen Zahlen schreckt“, sagt Richard Sturm, Leiter des Instituts für Finanzwissenschaft an der Uni Graz. Das Schuldenmanagement sei ein ständiger Balanceakt. „Aber mich persönlich schrecken die Schuldenzahlen nicht.“Und das hat vor allem drei Gründe.
Sparsamkeit der öffentlichen Hand als oberstes Gebot sei falsch, so Sturn. „Private Schulden und öffentliche Schulden kann man nicht vergleichen. Die öffentliche Hand hat die Aufgabe,
den Wirtschaftskreislauf in Gang zu halten.“Das nutzt den privaten Haushalten, also seien Schulden gerechtfertigt. Das gilt abgeschwächt aber auch für Kommunen. Zukunftsinvestition. „Ich sage nicht, dass die Verschuldung ohne Risiko ist“, so Sturn. Aber solange das Geld als Zukunftsinvestition verbucht werden kann „und das auch so wahrgenommen wird“, sind Schulden bewältigbar. Für jene, die die Gelder als Anleihen oder Kredite vergeben, muss klar sein, „dass es eine gute ökonomische Strategie gibt“. Wenn Anleger das Vertrauen verlieren, kann es allerdings schnell gehen – siehe global Griechenland, siehe Fohnsdorf in der Steiermark. Psychologie. Daher ist Budgetpolitik immer auch Psychologie. Darauf setzt auch die Stadt Graz, die sich selbst eine „dynamische Schuldenobergrenze“auferlegt hat. Das beruhigt politisch und ist Richtung Banken ein Stabilitätssignal. Diese Obergrenze – Einnahmen aus Ertragsanteilen und Kommunalsteuer mal drei – wurde jetzt in der Coronakrise gesprengt und kurzerhand auf „mal vier“erhöht. „Das schaut vielleicht ein bisschen blöd aus, aber hat keinen realen Effekt“, so Sturn.
Sein Fazit, ohne die Investitionen inhaltlich zu bewerten: Als mittelgroße Stadt wie Graz sei man gut beraten, die Ideale der schwäbischen Hausfrau nicht völlig außer Acht zu lassen. Aber: „Bei der Dynamik, die in Graz herrscht, ist es gut, dass die Stadt investiert, etwa in den öffentlichen Verkehr.“