Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Oberstdorf präsentiert sich dieser Tage von seiner Postkartenseite: keine Wolke am Himmel, verwöhnende Temperaturen bis zu 15 Grad. Und es soll auch so bleiben. Bei einem Spaziergang durch die südlichste Marktgemeinde Deutschlands wird man vom munteren Gezwitscher der Vögel begleitet. Eigenartig – sonst, wenn hier im Oberallgäu alljährlich der Startschuss zur Vierschanzentournee fällt, kommt einem diese angenehme Ruhe nie ins Bewusstsein. Aber wie auch, ist es doch eine von der CoronaPandemie erzwungene Stille, die sich über den gesamten WM-Ort gelegt hat. Statt der üblichen Party-Meilen sieht man nur leer gefegte Straßen. Geschäfte, Lokale – alles geschlossen. Und auch bei vielen Hotels und Ferienwohnungen dasselbe triste Bild: heruntergelassene Rollläden. Die ungewollte Auszeit wird sogar genützt, um die Nebelhornbahn zu sanieren. Ein Stillstand der Gondeln im Winter – bis vor einem Jahr undenkbar.
Einer der wenigen belebten Plätze in Oberstdorf ist die zur Corona-Teststelle umfunktionierte Eishalle. 4500 Menschen umfasst der gesamte WM-Tross, in den zwölf Bewerbstagen muss sich jede Person jeden zweiten Tag einem Antigen- (45 Euro pro Test) und jeden sechsten Tag einem PCR-Test (90 Euro) unterziehen. Unterm Strich ergibt das eine stattliche Summe. Doch von irgendwas müssen das Land, die Region und die Ausrichter der GeisterWM ja auch leben. Herzlichst, bis demnächst
bin nur froh, dass ich in Oberstdorf springen darf “, sagt die gebürtige Niederländerin und WM-Debütantin.
Kramer ist in diesem Winter im Lager der heimischen Skispringer, Langläufer und Kombinierer die Einzige, die einen Weltcupsieg vorweisen kann. „Ich mache nichts Spezielles“, lächelt die Weitenjägerin, „ich habe in jeden Sprung großes Vertrauen und muss nicht viel nachdenken. Ich möchte die beste Skispringerin der Welt sein und dafür setze ich mir täglich neue Ziele.“Als Teamleaderin sieht sie sich aber nicht: „Wir unterstützen und pushen uns alle gegenseitig.“
Gespannt darf man auf den Auftritt von Pinkelnig sein. Die Vorarlbergerin, die sich Anfang Dezember in Seefeld bei einem Trainingssturz einen Milzriss zuzog und notoperiert werden musste, gab erst in Rasnov ihr Comeback und schaffte mit zwei Top-10-Plätzen noch den Sprung auf den WM-Zug. „Ich bin überrascht, dass ich überhaupt dabei sein kann. Beim Skispringen ist es ja nicht so, dass man wie beim Skifahren mit ein paar leichten Schwüngen wieder beginnen kann. Da muss gleich alles passen.“Neben den körperlichen Problemen („Ich hatte über einen Liter
Blut im Bauchraum und auch die anderen Organe waren beleidigt“) mussten bei der Vorarlbergerin vor allem die psychischen Wunden heilen.
So war es für die 32-Jährige nicht der erste schwere Sturz. 2017 in der Ramsau erlitt sie eine schwere Gehirnerschütterung. Nach dem nächsten heftigen Sturz in Oberstdorf diagnostizierten die Ärzte ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Als Folge hatte Pinkelnig mit neurologischen Ausfällen zu kämpfen. „Es waren Anzeichen von Alzheimer da. Mein Hirn hat Strukturen aufgewiesen, die man in meinem Alter nicht haben dürfte“, erzählt sie. Umso beeindruckender ist nun ihr Comeback: „Ich habe vielen Leuten zu danken, die mich unterstützt haben. Jetzt bin ich einfach nur glücklich, wieder springen zu können.“