Diese Baustellen warten auf den neuen Gesundheitsminister
Wolfgang Mückstein hat keine Schonfrist: Zu viel ist zu Bruch gegangen, er muss als Manager, Friedensstifter und Stratege arbeiten.
Seine Ordination liegt im Herzen von Mariahilf, im grünen Kernland Wiens, und wird von etlichen Mandataren besucht. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist Patient in der Gemeinschaftspraxis. Das Primärversorgungszentrum, das Mückstein mit Kollegen betreibt, war in Wien das erste seiner Art. Die grüne Regierungsspitze sieht darin nicht nur ein Indiz für Pioniergeist, sondern auch für Stehvermögen und Durchhaltekraft. „Er packt an, er hat’s bewiesen“, sagt Kogler.
Obwohl Mückstein nie auf einer Liste kandidierte, ist er schon lange im Umfeld der Partei aktiv: Er ist einer von sieben grünen Mandataren in der Wiener Ärztekammer. Und steht beratend zur Seite. Im Oktober trat er mit seinem Vorgänger bei einer Pressekonferenz zu Coronatests bei Hausärzten auf.
Auch Mückstein ist einer jener Hausärzte, die nächste Woche in ihren Ordinationen mit dem Impfen beginnen. Dafür wird die Stadt Ersatz suchen müssen. Als Minister wird es ab Montag nicht Mücksteins Aufgabe sein, Impfungen zu verabreichen, sondern den Impfstoff zu organisieren. „Es wird dauern, bis alle geimpft sind.“Bis dahin, das machte er deutlich, schrecke er auch nicht vor harten Maßnahmen zurück. „Ich werde unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn ich diese als Mediziner für nötig halte.“
Kabinett, Beamtenquerelen. Das Pandemiejahr, ungeschickte politische Kabinettsvorstöße und interne Beamtenquerelen haben das Gesundheitsministerium ausgehöhlt: Wissensträger stehen im Abseits oder sind weg, wichtige Abteilungen nicht oder interimistisch besetzt. Die politische Entscheidung, mitten in der Pandemie ein Fach wie die Angiologie de facto abzuschaffen, stand für das medizinische Unwissen des Kabinetts von Anschober, für die Gleichgültigkeit von Beamten, die jeden Widerstand gegen politische Vorgaben aufgegeben hatten, und für die Fassungslosigkeit bei Experten. Die Angiologie ist ein Schlüsselfach bei der Behandlung Coronakranker und wurde zum Synonym für einen Dauerzustand: Es ging nichts mehr im Gesundheitsministerium – und bei heiklen Themen nicht um die Sache. Der neue Minister wird das Vertrauen der Beamten brauchen, um Entscheidungen umzusetzen. Und: Der Umbau der Ministeriumssektionen mitten in der Pandemie hat mehr geschadet als genützt.
Die Politik der Ära Anschober hat zwar viele Ideen hervorgebracht – bloß die Umsetzung gelang oft nicht. Die Ideen bewahrten Bundesländer wie Wien nicht vor überfüllten Intensivstationen. Mückstein wird einige Überschriften aus der Ära Anschober streichen müssen – sie kosten Ressourcen, helfen aber nicht. Auch die Vernetzung unterschiedlicher Player im System (Ages, Gög etc.) ist zu überarbeiten.
Dieser hält nicht, was versprochen wurde – obwohl man Ressourcen und Geld in das Projekt pumpte. Weder kann man damit epidemiologische Forschungen betreiben noch sich mit anderen Datenbanken vernetzen. Auch hier wird Mückstein entscheiden müssen, wie es weitergeht.
Keiner kennt sich bei den unzähligen Verordnungen aus. Der neue Minister wird gut beraten sein, mit den Bundesländern Strategien aus deren Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie zu erarbeiten. Zum Beispiel haben die Länder unterschiedliche Impfstrategien angewandt. Welche Strategie bringt letztlich den besten Erfolg, worauf kann man dabei aufbauen? Die Länder, durch Anschober-Ankündigungen und EU-Probleme bei der Impfbeschaffung ohnehin genervt, muss Mückstein wieder ins Boot holen.
Wie geht es im Herbst und Winter weiter? Wie baut man einen Pandemieplan auf ? Wie kann man das Contact-Tracing weiterentwickeln, damit es Wirkung zeigt? Entscheidend wird sein, dass Mückstein die niedergelassenen Ärzte voll und damit stärker integriert. Sie wissen zum Beispiel, wer geimpft werden muss, sie können Differenzierungen innerhalb der Risikogruppen vornehmen, weil sie die Patienten kennen – und so Ungerechtigkeiten vermeiden. Finanzierung. Mückstein wird strategische Aussagen treffen müssen, nicht unbedingt Lösungsansätze. Wie bindet man niedergelassene Ärzte in Pandemiezeiten ein (Tests, Impfungen etc.)? Reicht die Intensivbettenanzahl? Muss man Spitäler für Pandemien neu aufstellen? Ist die Normalbettensituation ausreichend? Wie entwickelt man die Pflege weiter? Das Versprechen, mehr Pflegemitarbeiter in die Spitäler zu bringen, ist nicht zu halten. Erst wenn Mückstein geklärt hat, auf was man sich konzentriert, kann er das Geld verteilen.