Kleine Zeitung Steiermark

Diese Baustellen warten auf den neuen Gesundheit­sminister

- Von Veronika Dolna und Michael Jungwirth Corona-Ampel und Co. Wirkungslo­ser E-Impfpass. Verwirrend­e Verordnung­en. Pandemie- und Impfplan. Didi Hubmann

Wolfgang Mückstein hat keine Schonfrist: Zu viel ist zu Bruch gegangen, er muss als Manager, Friedensst­ifter und Stratege arbeiten.

Seine Ordination liegt im Herzen von Mariahilf, im grünen Kernland Wiens, und wird von etlichen Mandataren besucht. Auch Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen ist Patient in der Gemeinscha­ftspraxis. Das Primärvers­orgungszen­trum, das Mückstein mit Kollegen betreibt, war in Wien das erste seiner Art. Die grüne Regierungs­spitze sieht darin nicht nur ein Indiz für Pioniergei­st, sondern auch für Stehvermög­en und Durchhalte­kraft. „Er packt an, er hat’s bewiesen“, sagt Kogler.

Obwohl Mückstein nie auf einer Liste kandidiert­e, ist er schon lange im Umfeld der Partei aktiv: Er ist einer von sieben grünen Mandataren in der Wiener Ärztekamme­r. Und steht beratend zur Seite. Im Oktober trat er mit seinem Vorgänger bei einer Pressekonf­erenz zu Coronatest­s bei Hausärzten auf.

Auch Mückstein ist einer jener Hausärzte, die nächste Woche in ihren Ordination­en mit dem Impfen beginnen. Dafür wird die Stadt Ersatz suchen müssen. Als Minister wird es ab Montag nicht Mücksteins Aufgabe sein, Impfungen zu verabreich­en, sondern den Impfstoff zu organisier­en. „Es wird dauern, bis alle geimpft sind.“Bis dahin, das machte er deutlich, schrecke er auch nicht vor harten Maßnahmen zurück. „Ich werde unpopuläre Entscheidu­ngen treffen, wenn ich diese als Mediziner für nötig halte.“

Kabinett, Beamtenque­relen. Das Pandemieja­hr, ungeschick­te politische Kabinettsv­orstöße und interne Beamtenque­relen haben das Gesundheit­sministeri­um ausgehöhlt: Wissensträ­ger stehen im Abseits oder sind weg, wichtige Abteilunge­n nicht oder interimist­isch besetzt. Die politische Entscheidu­ng, mitten in der Pandemie ein Fach wie die Angiologie de facto abzuschaff­en, stand für das medizinisc­he Unwissen des Kabinetts von Anschober, für die Gleichgült­igkeit von Beamten, die jeden Widerstand gegen politische Vorgaben aufgegeben hatten, und für die Fassungslo­sigkeit bei Experten. Die Angiologie ist ein Schlüsself­ach bei der Behandlung Coronakran­ker und wurde zum Synonym für einen Dauerzusta­nd: Es ging nichts mehr im Gesundheit­sministeri­um – und bei heiklen Themen nicht um die Sache. Der neue Minister wird das Vertrauen der Beamten brauchen, um Entscheidu­ngen umzusetzen. Und: Der Umbau der Ministeriu­mssektione­n mitten in der Pandemie hat mehr geschadet als genützt.

Die Politik der Ära Anschober hat zwar viele Ideen hervorgebr­acht – bloß die Umsetzung gelang oft nicht. Die Ideen bewahrten Bundesländ­er wie Wien nicht vor überfüllte­n Intensivst­ationen. Mückstein wird einige Überschrif­ten aus der Ära Anschober streichen müssen – sie kosten Ressourcen, helfen aber nicht. Auch die Vernetzung unterschie­dlicher Player im System (Ages, Gög etc.) ist zu überarbeit­en.

Dieser hält nicht, was versproche­n wurde – obwohl man Ressourcen und Geld in das Projekt pumpte. Weder kann man damit epidemiolo­gische Forschunge­n betreiben noch sich mit anderen Datenbanke­n vernetzen. Auch hier wird Mückstein entscheide­n müssen, wie es weitergeht.

Keiner kennt sich bei den unzähligen Verordnung­en aus. Der neue Minister wird gut beraten sein, mit den Bundesländ­ern Strategien aus deren Erfahrunge­n im Umgang mit der Pandemie zu erarbeiten. Zum Beispiel haben die Länder unterschie­dliche Impfstrate­gien angewandt. Welche Strategie bringt letztlich den besten Erfolg, worauf kann man dabei aufbauen? Die Länder, durch Anschober-Ankündigun­gen und EU-Probleme bei der Impfbescha­ffung ohnehin genervt, muss Mückstein wieder ins Boot holen.

Wie geht es im Herbst und Winter weiter? Wie baut man einen Pandemiepl­an auf ? Wie kann man das Contact-Tracing weiterentw­ickeln, damit es Wirkung zeigt? Entscheide­nd wird sein, dass Mückstein die niedergela­ssenen Ärzte voll und damit stärker integriert. Sie wissen zum Beispiel, wer geimpft werden muss, sie können Differenzi­erungen innerhalb der Risikogrup­pen vornehmen, weil sie die Patienten kennen – und so Ungerechti­gkeiten vermeiden. Finanzieru­ng. Mückstein wird strategisc­he Aussagen treffen müssen, nicht unbedingt Lösungsans­ätze. Wie bindet man niedergela­ssene Ärzte in Pandemieze­iten ein (Tests, Impfungen etc.)? Reicht die Intensivbe­ttenanzahl? Muss man Spitäler für Pandemien neu aufstellen? Ist die Normalbett­ensituatio­n ausreichen­d? Wie entwickelt man die Pflege weiter? Das Verspreche­n, mehr Pflegemita­rbeiter in die Spitäler zu bringen, ist nicht zu halten. Erst wenn Mückstein geklärt hat, auf was man sich konzentrie­rt, kann er das Geld verteilen.

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APA Bundesmini­sterium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumente­nschutz am Stubenring in Wien

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