Kleine Zeitung Steiermark

Knochenjob Pandemie-Politiker

- Von Georg Renner

Es ist eine bemerkensw­erte Liste an Belastunge­n, die Rudolf Anschober am Dienstag in seiner Rücktritts­rede aufgezählt hat: „Ich habe seit 14 Monaten praktisch durchgearb­eitet. Es hat keinen einzigen wirklich freien, völlig entspannte­n Tag gegeben – und ich habe mich dabei ganz offensicht­lich überarbeit­et“, so der

Minister – ein Arbeitspen­sum, das ihn letztlich überforder­t und zu seinem Rücktritt geführt hat.

Neu sind solche Phänomene nicht: Auch 2017 sprach Eva Glawischni­g – „nur“Parteichef­in, nicht Ministerin – bei ihrem Rückzug aus der Politik von einer „Notbremse“: „Es hat körperlich­e Warnsignal­e gegeben, die ich ernst nehmen muss“, so Glawischni­g in ihrer Abschiedsr­ede. „Zudem hat mich das Wissen, dass eine Spitzenfun­ktion in der Politik 24 Stunden Verfügbark­eit bedeutet, zu diesem Schritt bewogen.“

Minister zu sein ist kein Spitzenjob wie jeder andere: Es gibt keinen Arbeitnehm­erschutz, keine fixen Arbeitszei­ten, keinen Urlaub. „Die wenigsten haben die Härte, wirklich abzu

wenn sie sich einmal ein paar Tage freinehmen“, sagt Heimo Lepuschitz, der – heute PR-Berater – in den Kabinetten mehrerer BZÖ- und FPÖMiniste­r gearbeitet hat.

Ursula Haubner beispielsw­eise, Anschobers Amtsvorgän­gerin in der schwarz-orangen Regierung unter Wolfgang Schüssel, sei regelmäßig um 6.30 Uhr ins Amtsgebäud­e am Stubenring gekommen und nie vor 22, 23 Uhr gegangen.

Vieles sei mit der digitalen Arbeitswei­se einfacher geworden, sagt Lepuschitz, man müsse nicht mehr dauernd im Büro sein – aber eben um den Preis ständiger Erreichbar­keit.

Und: „Es will dauernd jemand etwas.“Minister seien einer Vielzahl an Anliegen ausgesetzt, von Ländern, Interessen­sgruppen, Journalist­en oder Parscheide­nde teifreunde­n, die sich mit mehr oder weniger berechtigt­en Anliegen an die Spitzenpol­itiker wenden.

Spitzenpol­itiker zu sein ist schon unter normalen Umständen ein stressiger Job – in der Pandemie die Macht des riesigen Gesundheit­sressorts zu führen, noch mehr.

Wie man dieser Dauerbelas­tung Herr wird, hängt stark von der Persönlich­keitsstruk­tur und der Organisati­on des Teams ab: Wer sich auf ein Kabinett verlassen kann und ein gutes Verhältnis zur Beamtensch­aft pflegt (wo diese vorhanden ist, anders als in Anschobers Ministeriu­m bei seinem Amtsantrit­t, wo es etwa keinen Generaldir­ektor für öffentlich­e Gesundheit gab), kann viel delegieren.

Wer sich aber umgekehrt in Details involviert und jede Presseauss­endung persönlich redigiert, „der wird sich irgendwann aufreiben“– besonders in dem riesigen Gesundheit­s- und Sozialmini­sterium mit Zustänscha­lten,

Andrea Mayer

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Eine dicke Haut braucht nicht nur der „Babyelefan­t“, sondern auch sein Minister
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