Anschobers Rücktritt ist auch ein Appell
Ich schätze Rudolf Anschober, habe Respekt und bin ihm dankbar. Für sein Handeln waren nicht wahlstrategische Gründe maßgeblich, sondern das Gemeinwohl und die Gesundheit der Menschen in unserem Land. In der Zusammenarbeit war die soziale Verantwortung, die ihn stets antrieb, deutlich spürbar. Es war ihm wichtig, im Gespräch zu bleiben: über die Nöte der Menschen, die wir in unserer Arbeit täglich erleben, mit der Absicht, sie bestmöglich zu unterstützen.
Wir gehen durch fordernde Zeiten: Corona. Klimakrise. Über allem eine Krise des Vertrauens. Nach über einem Jahr Ausnahmezustand sind wir alle müde und erschöpft von den Einschränkungen und dem Abstandhalten. Das gilt für uns alle – es gilt in besonderer Weise aber für all jene, die in dieser herausfordernden Zeit Verantwortung tragen: am Pflegebett ebenso wie in der Notaufnahme. In der Politik genauso wie im Bereich der Wirtschaft.
Ich denke oft an die Worte des deutschen Gesundheitsministers, der zu Beginn der Pandemie gesagt hat: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“Ich bin überzeugt: Wir sollten jetzt darauf achten, dass am Ende nicht zu viel zusammengekommen ist. Der Rücktritt von Anschober sollte für uns alle auch Auftrag und Appell sein: Gerade in Krisensituationen müssen wir das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Wir dürfen uns wechselseitig nicht leichtfertig absprechen, das Beste für unser Land erreichen zu wollen. Zusammenhalt und Zuversicht. Wertschätzung und Dialog. Darum sollte es gerade jetzt gehen. ch danke Rudolf Anschober für sein Engagement bei der Überwindung dieser Krise und dafür, dass er wichtige Projekte wie die Pflegereform vorangetrieben hat. Über 12 lange Monate konnte sich das Land auf seinen Gesundheitsminister verlassen. Nun ist es vielleicht Rudolf Anschober, der sich darauf sollte verlassen können, dass wir diese Krise weiter entschieden bekämpfen und für jene da sind, die uns besonders brauchen. Am Tag, an dem die Pandemie hinter uns liegt, sollten wir sagen können: Wir haben unser Bestes gegeben. Rudolf Anschober wird das können. Es sollte auch unser Ziel sein.
ist Präsident der Caritas Österreich.
„Wir dürfen uns wechselseitig nicht leichtfertig absprechen, das Beste für unser Land erreichen zu wollen.“
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