Im Interesse der Republik ...
Was ist im Interesse der Republik? Dass Spitzenbeamte und Höchstrichter ihre Loyalität gegenüber Parteien abstreifen. Aber auch, dass Stasi-Methoden keine Chance haben.
Wie viele respektlose, abfällige Äußerungen aus privaten Wohnzimmer-Chats werden wir noch zu lesen bekommen? Häppchenweise, um das Feuer der Empörung am Lodern zu halten. Zu Recht. Unsäglich und inakzeptabel, wenn da ein Spitzenbeamter des Justizministeriums eine Verfassungsrichterin geeignet als „Müllfrau“in Kuba bezeichnet. Ob es auch schockierend ist, wie viele rufen, wenn der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek Landeshauptmann Schützenhöfer um Unterstützung für seine Frau bittet? Hebe die Hand, wer nicht für Frau, Mann, Kind eintreten würde. Unredlich wäre, wenn der Landeshauptmann ihn erhört hätte. Hat er nicht.
Natürlich sei Kritik, sagt Verfassungsgerichtshofpräsident Christoph Grabenwarter, an Gerichten erlaubt, herabwürdigende Äußerungen dürften aber nie Platz haben. Da werden ihm trotz der beschämenden Chats Wolfgang Brandstetter und Christian Pilnacek zustimmen. Eine Zustimmung, die nicht in die Empörungsmaschinerie passt? Sie passt auch nicht zum Holzhammer, der gerade wild geschwungen wird, ohne zu differenzieren, ohne abseits von Schwarz-Weiß die Grautöne zu benennen. Da spielt es keine Rolle, ob diese SMS vielleicht mit 1,2 Promille getippt wurden. Oder ein Machtmensch in einem Anfall von Wut über das Erkenntnis der Verfassungsrichter zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe Sätze tippte, die er öffentlich nie sagen würde. Geschockte Moralisten werden einwenden, dies spiele keine Rolle. Es gilt, wie die Neos die Weitergabe der Chats begründen, „im Interesse der Republik“zu zeigen, wie Spitzenbeamte ticken. Also bald ein Mikrofon in jedem Wohnzimmer?
Im Interesse der Republik? Im Interesse der Republik wäre es, wenn moralisch integre Persönlichkeiten Spitzenfunktionen einnehmen und mit Amtsantritt ihre Loyalitäten gegenüber Parteien abstreifen würden. Ob dies Pilnacek gelang, mag bezweifelt werden. Im Interesse der Republik wäre es, wenn Personen, die mit pubertär anmutenden SMS Abgehobenheit und Unreife beweisen, nie an die Spitze von Staatsbetrieben kämen oder dort abgelöst würden. Im Interesse der Republik muss es auch sein, dass Staatsanwälte, die wie die WKStA Gespräche mit Vorgesetzten geheim mitschneiden, zur Verantwortung gezogen werden. Es wurde im Interesse der Republik mitgeschnitten? Die Stasi lässt grüßen. Was folgt als Nächstes? Was folgt bei einer Anzeige gegen die Neos, weil ein Industrieller sie mit Hunderttausenden Euro sponserte und sie vielleicht deshalb seine Interessen verfolgen? Oder gegen einen SPÖ-Abgeordneten, weil er vom ÖGB bezahlt wird? Alle korrupt? Als ob. x-Bundespräsident Heinz Fischer wusste, warum er vor Jahren eine ehrliche Debatte über den Einfluss der Gerichte auf die Politik forderte. Eine Debatte darüber, dass die Politik immer öfter die Justiz als Kampfmittel instrumentalisiert, war ihm ein staatspolitisches Anliegen. Kein parteipolitisches. Ja, das war und ist im Interesse der Republik.
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