Kleine Zeitung Steiermark

Die Vermessung der Fuchs-Welt

- Von David Knes und Bernd Melichar

Aus Selbstmitl­eid wurde Wut, aus Wut wurde Hass, aus Hass wurde Terror. In der vorerst letzten delikt-Folge geht es um Franz Fuchs.

Am 1. Oktober 1997 kontrollie­ren zwei Gendarmen in Gralla einen Autofahrer – ohne zu ahnen, mit wem sie es hier zu tun haben. Der Kontrollie­rte zündet plötzlich eine Bombe: das explosive Finale einer rechtsextr­em motivierte­n Terrorseri­e, die vier Todesopfer und 15 Verletzte forderte.

Franz Fuchs sprengte sich die eigenen Hände weg. Mit zuckenden Armstummel­n lief er in Richtung seines nahe gelegenen Elternhaus­es, schüttelte die Arme dabei heftig, um zu verbluten. Das gelang ihm nicht – wie so vieles in seinem Leben.

Im Nebenbau seines Elternhaus­es hatte Fuchs seit Jahren seine Wut mit Selbstmitl­eid zu Hass angefütter­t. Nach und nach lichtete sich das Bild einer vom eigenen Versagen gezeichnet­en Gestalt, auf der Suche nach Sündenböck­en als Projektion­sfläche für das eigene traurige Leben. Er wurde fündig: Getrieben von einem wirren Konglomera­t aus Ausländerh­ass und völkischem Nationalis­mus, radikalisi­erte er sich zum Terroriste­n. Von 1993 bis 1997 versetzte er die Nation mit Brief- und Rohrbomben in Angst. Jeder, der sich für Minderheit­en einsetzte oder selbst einer angehörte, konnte das nächste Opfer sein.

Zu den Adressaten der potenziell tödlichen Post zählten auch Prominente: Helmut Zilk verlor eine Hand. Arabella Kiesbauer hatte Glück. Der Polizist Theo Kelz wurde zur Medizinsen­sation, als ihm erfolgreic­h Spenderhän­de transplant­iert wurden, Jahre nachdem seine Hände von einer Bombe zerfetzt worden waren. Abscheulic­her Höhepunkt der Serie am 5. Februar 1995 in Oberwart: Vier Roma wurden mit einer Sprengfall­e aus ihrem Leben gerissen.

1999, der Prozess: Die Szenen des außer sich vor Wut Parolen brüllenden Mannes brannten sich ins kollektive Gedächtnis. In seiner Zelle sollte er sich ein Jahr später das Leben nehmen.

Im Podcast haben wir nach den Gründen für die tiefen Abgründe gesucht: Wie kann in einem Menschen so viel Hass wachsen? Wie konnte er sich in seinem Kämmerchen im Elternhaus radikalisi­eren?

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APA/PFARRHOFER Franz Fuchs beim Lokalaugen­schein in Gralla bei Leibnitz

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