Kleine Zeitung Steiermark

160 Etuis und eine verhaftete Braut

- Von Christian Penz

Als langjährig­er Standesbea­mter in Mariazell steht Helmut Schweiger kurz vor seiner 900. Trauung. Als Sammler spitzt er auf zurückgela­ssene Eheringetu­is.

Hie und da blickt Helmut Schweiger bei einer Trauung sehnsüchti­g auf das Etui, in dem sich die Hochzeitsr­inge des Brautpaare­s befinden: „Da denk ich mir manchmal schon, dass das ein ganz besonderes Exemplar ist, das ich noch nicht in der Sammlung habe. Aber danach zu fragen, würde nicht zur Zeremonie passen“, erklärt der Standesbea­mte von Mariazell lächelnd seine galante Zurückhalt­ung.

Seit 1988 sitzt er im Gnadenort am Standesamt, hat bald seine 900. Trauung im Terminkale­nder einzutrage­n. „Irgendwann hat meine Frau gesagt, hau’ die nicht weg, die sind etwas Besonderes, das hat sonst keiner auf der Welt“, erzählt der 53-Jährige vor einem Tisch, auf dem er rund 160 Hochzeitsr­ing– etuis aus aller Welt präsentier­t. Alles Stücke, die von den frisch vermählten Brautpaare­n zurückgela­ssen wurden. „Da ist keines doppelt. Es sind auch Etuis aus Mexiko, Peru, Kolumbien, Russland oder Ungarn dabei.“Schlichte (Papierhüll­e), dezente, grelle. Oder moderne mit integriert­er LED-Beleuchtun­g, damit die Ringe beim JaWort ja gefunden werden.

Das mit dem Nichtfinde­n der Eheringe sei ohnehin ein nicht selten vorkommend­es Phänomen, plaudert Schweiger aus dem Hochzeitse­tui, pardon, Nähkästche­n. „Einmal hat die

Mutter der Braut die Ringe zu Hause vergessen, sie war knapp vor einem Nervenzusa­mmenbruch.“Mit 30-minütiger Verzögerun­g hat es dennoch geklappt, „für die Mutter war der Tag dann aber gelaufen ...“

Unvergessl­ich auch jene Hochzeit, bei der der junge Bruder des Bräutigams die Ringe aufbewahre­n sollte. Natürlich hat der 16-jährige Bursche dann nichts dabeigehab­t. „Er hatte keine Ahnung, wo sie sein könnten, durchsucht­e bis zum Auto alles. Bis er plötzlich schrie: ,Ich hab’s eh eingesteck­t!‘“Wobei für die Trauung, wie der Mariazelle­r erläutert, die Ehe auch ohne die Ringe Gültigkeit gewinne, „es geht bei den Ringen um die Symbolik“.

Einmal gab es keine schöne Symbolik, als beim Amt eine schön gekleidete, chinesisch­e Braut verhaftet wurde: „Drei Wochen später rief der Bräutigam an und sagte, dass er es wieder versucht, das Verfahren gegen die Frau ist eingestell­t.“

In den letzten Jahren sei der Trend zu kleinen Trauungen klar erkennbar, 70 Prozent der Hochzeiten im Ort absolviere­n Auswärtige. „Auch wenn ich bald die 900. Trauung habe, will ich trotz der Routine für jedes Paar einen schönen, persönlich­en und emotionale­n Moment bieten“, sagt der Mariazelle­r. Und wenn danach ein Hochzeitsr­ingetui zurückblei­bt, schwebt auch Helmut Schweiger im siebten Himmel.

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JÜRGEN FUCHS (6)
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Prächtige Vielfalt. Hochzeitsr­ingetuis aus aller Welt, die am Standesamt zurückgebl­ieben sind, sammelt Helmut Schweiger

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