160 Etuis und eine verhaftete Braut
Als langjähriger Standesbeamter in Mariazell steht Helmut Schweiger kurz vor seiner 900. Trauung. Als Sammler spitzt er auf zurückgelassene Eheringetuis.
Hie und da blickt Helmut Schweiger bei einer Trauung sehnsüchtig auf das Etui, in dem sich die Hochzeitsringe des Brautpaares befinden: „Da denk ich mir manchmal schon, dass das ein ganz besonderes Exemplar ist, das ich noch nicht in der Sammlung habe. Aber danach zu fragen, würde nicht zur Zeremonie passen“, erklärt der Standesbeamte von Mariazell lächelnd seine galante Zurückhaltung.
Seit 1988 sitzt er im Gnadenort am Standesamt, hat bald seine 900. Trauung im Terminkalender einzutragen. „Irgendwann hat meine Frau gesagt, hau’ die nicht weg, die sind etwas Besonderes, das hat sonst keiner auf der Welt“, erzählt der 53-Jährige vor einem Tisch, auf dem er rund 160 Hochzeitsring– etuis aus aller Welt präsentiert. Alles Stücke, die von den frisch vermählten Brautpaaren zurückgelassen wurden. „Da ist keines doppelt. Es sind auch Etuis aus Mexiko, Peru, Kolumbien, Russland oder Ungarn dabei.“Schlichte (Papierhülle), dezente, grelle. Oder moderne mit integrierter LED-Beleuchtung, damit die Ringe beim JaWort ja gefunden werden.
Das mit dem Nichtfinden der Eheringe sei ohnehin ein nicht selten vorkommendes Phänomen, plaudert Schweiger aus dem Hochzeitsetui, pardon, Nähkästchen. „Einmal hat die
Mutter der Braut die Ringe zu Hause vergessen, sie war knapp vor einem Nervenzusammenbruch.“Mit 30-minütiger Verzögerung hat es dennoch geklappt, „für die Mutter war der Tag dann aber gelaufen ...“
Unvergesslich auch jene Hochzeit, bei der der junge Bruder des Bräutigams die Ringe aufbewahren sollte. Natürlich hat der 16-jährige Bursche dann nichts dabeigehabt. „Er hatte keine Ahnung, wo sie sein könnten, durchsuchte bis zum Auto alles. Bis er plötzlich schrie: ,Ich hab’s eh eingesteckt!‘“Wobei für die Trauung, wie der Mariazeller erläutert, die Ehe auch ohne die Ringe Gültigkeit gewinne, „es geht bei den Ringen um die Symbolik“.
Einmal gab es keine schöne Symbolik, als beim Amt eine schön gekleidete, chinesische Braut verhaftet wurde: „Drei Wochen später rief der Bräutigam an und sagte, dass er es wieder versucht, das Verfahren gegen die Frau ist eingestellt.“
In den letzten Jahren sei der Trend zu kleinen Trauungen klar erkennbar, 70 Prozent der Hochzeiten im Ort absolvieren Auswärtige. „Auch wenn ich bald die 900. Trauung habe, will ich trotz der Routine für jedes Paar einen schönen, persönlichen und emotionalen Moment bieten“, sagt der Mariazeller. Und wenn danach ein Hochzeitsringetui zurückbleibt, schwebt auch Helmut Schweiger im siebten Himmel.