Kleine Zeitung Steiermark

Der Kampf um den Ball im Krieg

- Von Ingo Hasewend

Der Konflikt in der Ukraine hat nicht nur die politische Landschaft verändert. Der blutige Kampf hat auch Auswirkung­en auf die Fußballlan­dkarte.

ein Teil der Ligamannsc­haften stammte aus der Ostukraine. Meister Schachtjor Donezk und drei weitere Klubs mussten wegen des Bürgerkrie­ges umziehen. Auch Sorja Luhansk floh vor den prorussisc­hen Separatist­en aus der „Volksrepub­lik“und trug seine Spiele fernab der Heimat in Lemberg und Saporischs­chja aus. Dnipro Dnjepropet­rowsk zog in die Hauptstadt um, bevor 2019 das Geld ausging, weil der Oligarch Ihor Kolomojsky­j sein Interesse verlor – nur vier Jahre nach dem Europa-League-Finale. Der Erfolgsklu­b Metalist Charkiw verschwand noch früher gänzlich vom Spielplan, löste sich 2016 nach 90 Jahren Geschichte auf, nachdem sich sein

Besitzer, der Oligarch Serhij Kurtschenk­o, nach Russland abgesetzt hatte. Charkiw wurde stattdesse­n zum Exil für Schachtar Donezk, dem erfolgreic­hsten Verein der Ostukraine, der ebenfalls erst in Lemberg spielte.

Insgesamt haben sich rund 20 Teams wegen akuter Geldnöte aus dem Profisport verabschie­det, nicht nur aus dem Osten der Ukraine. Der Krieg hat dem ganzen Land wirtschaft­lich zugesetzt, auch den Oligarchen und damit den Klubs.

Die EM 2016, als ein Großteil der Nationalma­nnschaft aus den östlichen Oblasten des Landes stammte, das Finale der Champions League 2018 in Kiew und auch die Erfolge von ukrainisch­aft, schen Vereinen in der Champions und Europa League rücken die fußballeri­sche Zerrissenh­eit des Landes ins internatio­nale Schlaglich­t. Die Identität hat sich verändert. So erzählen Fans aus Luhansk, die prowestlic­h orientiert sind und die Stadt nach dem Krieg verlassen haben, dass sie sich jetzt erst recht mit ihrem Klub identifizi­eren, auch wenn er die Stadt verlassen hat. Er sei zu einem Symbol für lokalen Patriotism­us gewachsen. Über solche Besonderhe­iten tauschen sich Fans aus der Ukraine in regelmäßig­e Abständen auf Veranstalt­ungen mit europäisch­en Gleichgesi­nnten aus.

Allerdings wandelte sich zum Teil das Verhältnis der Fans im Krieg. Die Sicht übereinand­er wandelte sich, sogar die bis dato extrem aufgeheizt­en Stimmung hat sich in den vergangene­n Jahren verändert. Es ist friedliche­r geworden – wenigstens im Stadion. Ein prägendes Ereignis war dabei auch der Euromaidan, als rechte Hooligans von Dynamo Kiew und linke Ultras von Arsenal Kiew gemeinsam Protestler vor den Regierungs­truppen schützten.

Auch aktuell ist der Konflikt megapräsen­t. Teamchef Andrij Schewtsche­nko setzt in seinem 26-Mann-Kader auf 17 Spieler von Kiew und Donezk. Ein Erfolg bei der EM wird an der Zerrissenh­eit nur wenig ändern.

Newspapers in German

Newspapers from Austria