Kleine Zeitung Steiermark

Ein maßloses Maß

- Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz,

NInstitut für Philosophi­e TU Dresden atürlich wissen wir, dass Paulus ein gewaltiger Kopf ist. Aber in diesem Text überschläg­t er sich: überreich gewordene Gnade, maßloses Übermaß, Gewicht an Herrlichke­it … Das sind Ausdrücke, Wortfolgen, Kaskaden von Gedanken, die die antike Welt nicht einsetzt, weil, ja weil so etwas nicht wirklich gedacht werden kann. Aber Paulus kann es denken, seit er vor Damaskus umgeworfen wurde. Seine Worte haben eine neue Kultur vom endgültige­n Sinn des Menschenle­bens (mit)begründet. Ihr Grundakkor­d heißt: Wir überleben unseren Tod. Dann, unvorstell­bar, wird es eine „Wohnung von Gott“geben. So einfach, so unglaublic­h, so sicher formuliert.

Dagegen hat sich schon viel Einwand erhoben, ein geläufiger heißt: alles nur „Vertröstun­g“; damit hält man die Leute in ihrem Elend ruhig, statt es zu verändern. Als hätten

Christen nicht handfest denkend, handelnd, liebend angepackt, um diese Welt menschlich­er zu machen. Aber drehen wir doch den Einwand um: Ja, natürlich geht es – im Soziologen-Deutsch – um Vergänglic­hkeitskomp­ensation. Aber viel einfacher: Es geht um Trost. Trost ist nicht dasselbe wie Vertröstun­g, es ist das Gegenteil. Trost ist Frohwerden an der Wahrheit.

Wenn selbst Menschenre­chte nur als kulturbedi­ngte Zuschreibu­ng gelten, ist die Sinnleere postmodern­er Gesellscha­ften offenbar geworden. Und wenn Selbsttötu­ng zu einem dieser auf den Kopf gestellten Menschenre­chte wird, dann müssen bisherige Sinnerfahr­ungen wie jene von Paulus nachdrückl­ich erinnert werden. Ja, ich lebe in unvermeidl­icher Not, aber es gibt eine Lösung. Ja, ich werde aufgeriebe­n, aber nicht für immer. Ja, ich sterbe, aber ich überlebe meinen Tod.

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