Ein maßloses Maß
NInstitut für Philosophie TU Dresden atürlich wissen wir, dass Paulus ein gewaltiger Kopf ist. Aber in diesem Text überschlägt er sich: überreich gewordene Gnade, maßloses Übermaß, Gewicht an Herrlichkeit … Das sind Ausdrücke, Wortfolgen, Kaskaden von Gedanken, die die antike Welt nicht einsetzt, weil, ja weil so etwas nicht wirklich gedacht werden kann. Aber Paulus kann es denken, seit er vor Damaskus umgeworfen wurde. Seine Worte haben eine neue Kultur vom endgültigen Sinn des Menschenlebens (mit)begründet. Ihr Grundakkord heißt: Wir überleben unseren Tod. Dann, unvorstellbar, wird es eine „Wohnung von Gott“geben. So einfach, so unglaublich, so sicher formuliert.
Dagegen hat sich schon viel Einwand erhoben, ein geläufiger heißt: alles nur „Vertröstung“; damit hält man die Leute in ihrem Elend ruhig, statt es zu verändern. Als hätten
Christen nicht handfest denkend, handelnd, liebend angepackt, um diese Welt menschlicher zu machen. Aber drehen wir doch den Einwand um: Ja, natürlich geht es – im Soziologen-Deutsch – um Vergänglichkeitskompensation. Aber viel einfacher: Es geht um Trost. Trost ist nicht dasselbe wie Vertröstung, es ist das Gegenteil. Trost ist Frohwerden an der Wahrheit.
Wenn selbst Menschenrechte nur als kulturbedingte Zuschreibung gelten, ist die Sinnleere postmoderner Gesellschaften offenbar geworden. Und wenn Selbsttötung zu einem dieser auf den Kopf gestellten Menschenrechte wird, dann müssen bisherige Sinnerfahrungen wie jene von Paulus nachdrücklich erinnert werden. Ja, ich lebe in unvermeidlicher Not, aber es gibt eine Lösung. Ja, ich werde aufgerieben, aber nicht für immer. Ja, ich sterbe, aber ich überlebe meinen Tod.