Kleine Zeitung Steiermark

„Wir erleben gerade zwei Revolution­en“

- Von Carina Kerschbaum­er

In Krisen verstärke sich der Charakter, die Solidarisc­hen werden solidarisc­her, die Unsolidari­schen noch unsolidari­scher, sagt der Philosoph Richard David Precht. Für die Zukunft fordert er „unbezahlba­r teure Äpfel aus Neuseeland“.

bewesen unser Leben durcheinan­derbringen kann. Corona hat vielen durch die sinnlich spürbare Erfahrung stärker die Augen geöffnet für einen anderen Ausnahmezu­stand, jenen bei einer Erwärmung um ein oder zwei Grad.

Aber Sie zweifeln am Lerneffekt. Sie stellen doch die Frage, wenn schon ein Stück Stoff im Gesicht manche empörte, wie erst werden diese reagieren bei massiven Einschnitt­en zur Erreichung der Klimaneutr­alität?

Der Unterschie­d ist, dass man keine Grundrecht­e einschränk­en muss, um die Klimakatas­trophe zu vermeiden. Man muss aber auf lieb gewordene Gewohnheit­en verzichten. Wir werden nicht mehr so viel fliegen können wie bisher, wir werden nicht mehr unvernünft­ig große Autos – wie SUV, diesen materialis­ierten Trotz gegenüber dem Klimawande­l – fahren können, die ohnehin eher für die Straßen von Kabul gebaut sind als für Wien, Autos, die sich aber immer mehr Menschen leisten, weil sie glauben, dass sie sonst statusmäßi­g nicht zur Gesellscha­ft dazugehöre­n. Nichts davon schränkt aber unsere Grundrecht­e ein.

Das ist der positive Lerneffekt aus den Lockdowns?

Wenn man sich die Zustimmung­swerte für die Grünen in Deutschlan­d ansieht, kann man sagen, die Grünen sind die Partei, die unter Anführungs­zeichen am stärksten von Corona profitiert haben. Die Menschen haben kapiert, wie sehr wir uns um die Natur sorgen müssen.

Welche Lehren werden wir noch ziehen?

Der Staat wird sich auf vielen Ebenen Gedanken machen, um sich für Krisen zu wappnen. Wir haben gesehen, wie sehr die Automobili­ndustrie, aber auch andere von einer Zulieferin­dustrie abhängig sind. Wir werden die Globalisie­rung nicht aufhalten, aber wir werden zunehmend überlegen, dass wir uns nicht mehr in zu große Abhängigke­iten begeben.

wird eine gewisse Re-regionalis­ierung geben oder auch Nationalis­ierung.

Optimisten hoffen, dass sich durch die Erfahrung der Lockdowns das Konsumverh­alten ändern wird, regionale Lebensmitt­el an Bedeutung gewinnen.

Es gibt gewisse Trends, aber diese werden sich nur durchsetze­n, wenn der Staat eine entspreche­nde Förderungs­politik betreibt. Es kann nicht sein, dass ein Apfel aus Neuseeland weniger kostet als einer aus der Region. Wenn die Umweltkost­en des Transports miteinbere­chnet werden, müsste er unbezahlba­r teuer sein und dann würde sich der Trend zu regionalen Lebensmitt­eln verstärken. Die Wende hin zu Ökologie und Nachhaltig­keit können wir nicht dem einzelnen Verbrauche­r auf die Schultern bürden.

Warum nicht auch? Es könnte jeder Konsument Druck ausüben.

Das ist die große Illusion. Der Verbrauche­r soll entscheide­n, dass er Tiere aus artgerecht­er

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