Kleine Zeitung Steiermark

Semmering: Vergangenh­eit einer Moderne

Wolfgang Kos schildert den Semmering als Labor der Moderne und des Scheiterns.

- Frido Hütter

Wenn Sie den Semmering bis jetzt bloß für einen Berg zwischen der Steiermark und Niederöste­rreich gehalten haben, sollten Sie sich dieses Buch des Historiker­s und Publiziste­n Wolfgang Kos unbedingt vornehmen. Der Semmering ist für ihn mehr, ein regionales Modell und Versuchsla­bor einer damals neuen Tourismusf­orm.

Älteren Semestern ist Kos noch als Spiritus Rector der legendären Ö3-Musicbox ein Begriff. Später brachte er das etwas patinierte Wien Museum auf die Höhe der Zeit.

Der Semmering und seine Geschichte hatten Kos stets fasziniert. Seine Dissertati­on war diesem Thema gewidmet. Sie erschien vor 35 Jahren auch als Buch, Titel: „Über den Semmering. Geschichte einer künstliche­n Landschaft“. Mit dem Adjektiv „künstlich“hatte man damals vor Ort wenig Freude und doch ist es angebracht: Bis Mitte des 19. Jahrhunder­ts war der Semmering weitgehend eine unbewohnte Wildnis. Erst die Inbetriebn­ahme von Carl von Ghegas Eisenbahn, der ersten Alpinen, 1854, ließ gastronomi­sche Invasoren anrücken. Mitten im Wald entstanden elegante Hotels und luxuriöse Villen. Die „wurzellose Architektu­r“(Kos) fußt mangels Vorhandens­eins nicht auf lokalen Baustilen, sondern bedient die Wünsche der urbanen Klientel.

Dichter, Denker, wohlhabend­e Wirtschaft­streibende und anderweiti­ge Prominenz, viele von ihnen Juden, fühlten sich hier auf rund tausend Metern Seehöhe dem Alltag enthoben und kamen zuhauf. Auch aus Budapest und Prag. In der Zwischenkr­iegszeit kam der Semmering ein wenig aus der Mode und die Nationalso­zialisten vertrieben die verhasste Bourgeoisi­e ganz.

Alle Reanimatio­nsversuche scheiterte­n kläglich. Panhans und Südbahnhot­els stehen seit Jahren still. Teils dubiosen Investoren gaben sie die Schlüssel in die Hand. Einige Hoffnung liegt nun auf dem innovative­n Hotelier Florian Weitzer, der das prachtvoll­e, ebenso leer stehende Kurhotel den kasachisch­en Besitzer abgekauft hat.

Wolfgang Kos schildert nicht nur – akribisch recherchie­rt und reich bebildert – die Historie, sondern auch Gegenwart und Zukunft des Universums Semmering.

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„Der Semmering – Eine exzentrisc­he Landschaft“,

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