Leonies Tod, eine Mahnung
Es kommen zu viele junge Männer mit prekärer Prägung. Das Land überlässt sie sich selbst und übt sich in träger Gleichgültigkeit, auch dann, wenn sie zur Bedrohung werden.
Der Fall des 13-jährigen Mädchens, das von jungen Afghanen vergewaltigt und getötet wurde, wühlt noch immer auf. Die Gewalttat wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die kriminelle Disposition eines Teils dieses migrantischen Milieus, sie legt auch Schludrigkeiten der Asylpraxis im Umgang mit Nichtwillkommenen offen. Die laxe Handhabe auf behördlicher wie gerichtlicher Ebene steht mit den angespannten Muskeln der Politik in einem Widerspruch. Pose und Praxis klaffen auseinander. Der Staat lässt bei den gut Integrierten doktrinäre Härte walten, während er sich bei straffällig Gewordenen einer sorglosen Naivität befleißigt.
An die Stadt Wien: Wie kann es sein, dass Afghanen, die sich mit Drogendelikten für das Gastrecht bedanken, eine Wohnung bekommen, ohne diese an Integrationsleistungen oder ein Monitoring zu knüpfen? Wie kann es sein, dass straffällig gewordene 16-Jährige nachts durch die Stadt streunen, anstatt sie in Betreuungseinrichtungen an die Standards der Gesellschaft heranzuführen und auszuloten, ob das geht? An das Innenministerium und sein Bundesamt für Asylwesen: Wie kann es sein, dass man zwar dem verurteilten 18-jährigen Straftäter den Schutz aberkennt, ihm aber zugleich offenbart, dass eine Abschiebung unzulässig sei? Warum dieser Aberwitz, wenn der Rechtsrahmen sehr wohl eine Abschiebung im begründeten Einzelfall erlaubt? Und wie redlich ist der Fingerzeig hinüber zur trägen Zweitinstanz, dem Verwaltungsgericht, wenn das Asylamt vergisst, diesem eine Frist zu setzen? An das Verwaltungsgericht: Als wäre es nicht irritierend genug, dass ein Verurteilter so locker den Instanzenzug bemüht: Warum lässt man die Beschwerde gegen die Ausweisung Jahre liegen, wenn Gefahr in Verzug und evident ist, dass es hier nichts mehr zu prüfen gibt? Und an den Kanzler: „Unerträglich“sei das Geschehene. Stimmt, aber die flinken Worte sind eine politische Selbstanklage. Das Land hat ein Abschiebe-, ein Integrations- und ein Behördenproblem. Es schlampt. Es lässt sich von jenen, von denen eine Gefahr ausgeht, vorführen. An den Vizekanzler: Man solle den Fall nicht politisch instrumentalisieren. Ja, aber man soll ihn auch nicht glätten und auf ein „Problem männlicher Gewalt“reduzieren. Die Herkunftswelt verschleiern: grüne Schminke. ultikulturalität per se ist keine Bereicherung. Das ist Apodiktik aus den 70ern. Sie ist Einfallstor für Konflikte und manchmal eine Bedrohung. Sie kann alles sein, weil der Mensch alles sein kann. Eine Bereicherung ist sie dort, wo Integration gelingt. Das ist harte Fron, nichts für kernige Rhetorik. Zu diesem Gelingen gehört eine konsequente Abschiebepraxis, dort, wo Integration durch Gesetzesbruch verweigert wird. Diese Härte ist nicht inhuman, sondern Voraussetzung für Akzeptanz. Sie schützt untadelige Schutzsuchende vor pauschalem Verdacht und potenzielle Opfer vor Gewalt. Die 13-jährige Leonie ist kein Opfer staatlicher Inkonsequenz und Trägheit. Aber beides hat die Gewalttat ihrer Peiniger erst möglich gemacht.
M
rzte ohne Grenzen international fordert, dass Biontech/Pfizer Formel und Technologie seines Corona-Impfstoffs für Produzenten in ärmeren Ländern zur Verfügung stellt. Wie ist Ihre Meinung dazu?
LEO HO: Natürlich wäre das gut. Im Zuge der Pandemie zeigte sich die Kluft zwischen reicheren und ärmeren Ländern wieder deutlicher, die reicheren konnten sich die Impfstoffe einfach leisten und die ärmeren Länder in Afrika und anderen ärmeren Regionen schauten vielfach durch die Finger. Am besten wäre es, wenn alle Welt Zugang zu Corona-Impfstoffen hätte und wenn diese Impfstoffe auch noch kostenlos wären.
Die Zahl der Corona-Infektionen auf dem afrikanischen Kontinent steigt jede Woche um 25 Prozent und die Delta-Variante wurde inzwischen in 14 afrikanischen Ländern nachgewiesen. Afrika – ist das der vergessene Kontinent?
In dieser Pandemie zeigt sich ganz klar, dass sich kein Erdteil abkoppeln kann, dass kein Erdteil vergessen werden darf, dass diese Pandemie nur beherrschbar wird, wenn die Welt insgesamt zusammenarbeitet. Aber das ist leichter gesagt als getan, wenn es zwar auf der einen Seite gut ausgestattete funktionierende Gesundheitssysteme gibt und auf der anderen schwache oder gänzlich fehlende.
Was muss geschehen?
Ich habe auch Public Health studiert und es ist ganz klar, was es braucht: Wir nennen das die sozialen Determinanten von Gesundheit. Damit sind, vereinfacht ausgedrückt, all jene Bedingungen gemeint, in die
Menschen hineingeboren werden, unter denen sie aufwachsen, arbeiten und altern. Und diese Standards müssen weltweit steigen und verbessert werden. Die sozialen Determinanten beeinflussen über materielle, psychosoziale, verhaltensbezogene und intergenerationelle Mechanismen die Verteilung von Gesundheit und Krankheit in der Gesellschaft.
Sie waren im Vorjahr für Ärzte ohne Grenzen im Corona-Einsatz in der Slowakei: Wie haben Sie die Zeit dort erlebt?
Es war unglaublich intensiv. Während der ersten Welle wurde die Slowakei von Corona ein wenig verschont, dann kam die zweite Welle im Winter, und da wurde es wirklich ernst. Das war eine harte Zeit. Die Spitäler waren so überfüllt. Es gab nicht genügend Räume für die Patienten. Und was uns alle fertiggemacht hat: Es gab nicht mehr genug Intensivplätze. Und auch der Sauerstoff ging aus.